28.07.17 Algenpest

Das Meer sieht dreckig aus und stinkt. Von allen Kanaren sieht man in diesen Tagen Berichte über eine übermässige Ausbreitung einer Algenart, deren massive Entwicklung im Endstadium zu Schaumbildung in den Küstenregionen führt und die in einigen Fällen geruchsintensiv verfault. (Hierbei geht es heute nicht um die jährlich wiederkehrende Algenblüte im Hafen von Valle Gran Rey.)

Zuerst denkt man an eine Abwassereinleitung und macht sich Sorgen um eventuelle gesundheitliche Schäden. Eine Verschmutzung als Grund für eine Algenblüte wäre allerdings bei der grossen Verbreitung des Auftretens schon aus der logischen Ableitung her unwahrscheinlich, zu gross ist die Selbstreinigungskraft des Wassers bei den Kanaren, in Distanzen von wenigen hundert Metern vom Fokus der Verschmutzung wäre nichts mehr zu spüren. Es sei denn dass sich alle Kläranlagen und alle auf dem offenen Wasser herumfahrenden Schiffe gemeinsam abgesprochen hätten, ihre Abwässer in diesem Jahr ungeklärt einzuleiten ;-).

Auch draussen auf dem Meer treiben dichte Matten der Alge Trichodesmium

In den kanarischen Medien wird zu Besonnenheit aufgerufen und erklärt, dass diese Alge eine wichtige Rolle im marinen Ökosystem spielt und lediglich eine auf besondere Konditionen zurückzuführende Massenentwicklung stattgefunden hat.

Marta Sanson von der Universität La Laguna erklärt in einem Interview die Zusammenhänge und bringt zum Ausdruck, dass die Wissenschaftler als erste daran interessiert wären, eine Verschmutzung nachzuweisen, dass in diesem Fall aber nichts gefunden worden sei. Da ich sie als wunderbar unaufgeregte, professionelle Biologin kennengelernt habe, sehe ich keinen Grund, daran zu zweifeln.

Die Alge Trichodesmium erythrea gehört zu den üblicherweise hier vorkommenden Mikroalgen und bildet etwa 2 cm lange, aber sehr feine Fäden, die wir nur in grossen Zusammenballungen bemerken. Verschiedene Bedingungen können das Wachstum und die Reproduktion der Blaualgen fördern. Dazu gehören die im Windschatten der Inseln teilweise sehr wellenarmen Wasseroberflächen, an denen die Algen ideale Wachstumsbedingungen finden. Nährstoffzufuhr durch Saharastaub könnte ebenfalls Einfluss nehmen.

Vor gerade 3 Monaten wurde eine ganz andere mögliche Begründung in einer wissenschaftlichen Arbeit in Science diskutiert: Die Algen der Gattung Trichodesmium werden dort als “nitrogen-fixing heroes” im Ozean bezeichnet. Da sie direkt an der Oberfläche des Meeres treiben, stehen sie im Kontakt mit der Atmosphäre und können Stickstoff direkt aus dieser aufnehmen. Mehr CO2 im Wasser, welches generell bisher als positiv verstärkender Faktor gewertet wurde, könne eventuell die Entwicklung der Alge und vor Allem diese Fähigkeit zur Stickstoffaufnahme aus der Atmosphäre stören. Und auf diese Weise einen der wichtigsten Basisorganismen im Meer empfindlich treffen.

https://www.sciencenews.org/article/ocean-acidification-food-web-nitrogen-fixing

Die Situation auf den Kanaren weist zumindest momentan eher auf die positive Verstärkung hin. Da bleibt die Frage offen, ob bei den Kanaren tatsächlich eine verstärkte Aufnahme von CO2 und entsprechend eine Versauerung stattgefunden hat. Denn das wäre kein lokaler Effekt und wir müssten uns in Zukunft darauf vorbereiten, weiter mit diesen so unattraktiven Algen umgehen zu müssen.

Nachtrag vom 12.08.19: Wusste gar nicht, dass in Deutschland Blaualgen auch ein Thema sind. Das Institut für Ostseeforschung Warnemünde hat ein interessantes Datenblatt erstellt.