29.04.18 Delfine mit Beigeschmack

Eine Begegnung auf dem weiten Ozean mit Fleckendelfinen, vor allem wenn der Betrachter in einem kleinen Boot ganz nah bei den Tieren sein kann, gehört zu den interessantesten Erlebnissen, die sich auf den Kanaren bieten.

Meist steuern sie direkt auf Boote zu und schwimmen spielerisch mit ihnen um die Wette, springen übermütig neben dem Boot aus den Wellen. In manchen Jahren begegnen wir Tausenden dieser Spassmacher.

Fleckendelfine begleiten das Boot

Eine Studie über den Gehalt an langlebigen, giftigen organischen Substanzen im Fettgewebe dieser so lebendigen Delfinart schlägt nun vor, die kanarische Population aufgrund ihres hohen Giftgehaltes im Fettgewebe aktiv zu schützen.

Untersucht wurden PCB, DDT, PBDE, Chlordane, HCB und Mirex. Sie alle unterliegen nur langsamen Zersetzungsprozessen, sind entsprechend langlebig und werden in der Nahrungskette enorm angereichert. Ihr lipophyler (fettlöslicher) Charakter führt dazu, dass sie sich in den Fettgeweben der Meeressäuger anreichern. Die polychlorierten Biphenyle und DDT dominierten in allen Proben und übertreffen vielfach die bekannten Grenzwerte. Hier ein kurzer Blick auf die beiden hauptsächlichen Umweltgifte:

Polychlorierte Biphenyle (PCB)

Schweizer Umweltbundesamt Richtlinie PCB

Nutzung: bis in die 80er Jahre zum Beispiel in Isolierölen in Transformatoren, als Hydraulikflüssigkeit und Weichmacher von Lacken, Fugenmassen in Wohnblöcken und Plastik und als dielektrische Flüssigkeit eingesetzt.

Verbot/Resteinsatz:

Die Altlasten in Gebäuden aus den 50ern bis 90ern sind auch in Deutschland und anderswo noch immer sehr hoch. Die Stockholmer Konvention zum Verbot und zur Einschränkung von langlebigen organischen Schadstoffen wurde 2004 von vielen Nationen ratifiziert, bis 2028 sollten demnach alle Bestände vernichtet sein.

Schadwirkung: endokrine Disruptoren, beeinflussen Fruchtbarkeit.

Grenzwerte: für Veränderungen im Uterus von Seehunden beziehungsweise für tiefgreifende reproduktive Beeinträchtigungen bei der Ringelrobbe werden mit 9 bzw. 41 µg/g lw angegeben (Helle, E., Olsson, M. & Jensen, S. PCB levels correlated with pathological changes in seal uteri. Ambio 5, 261–263 (1976)).

Grenzwert FDA (Food and Drug Administration US) für die Nahrungsaufnahme: 3 mg/kg in rohem Fleisch (auf Fettbasis, “action level“).

Fleckendelfine auf der Jagd

Massnahmen: Restbestände müssen bis 2028 vernichtet werden. Allerdings ist die Durchführung dieser Auflage wenig wahrscheinlich, da sie bei mehr als 1000º C verbrannt werden müssten.

Daten der Studie bei den Kanaren:

Die grössten Mengen an PCB wurden in Delfinen vor Sao Paulo in Brasilien gefunden (15.9 µg/g lw) und mit dem dortigen grössten Hafen Südamerikas und dem grössten Industriegebiet Brasiliens (metallurgische Industrie und Petrochemie) in Verbindung gebracht. Kurioserweise folgen die Delfine der wesentlich weniger industrialisierten Kanarischen Inseln (12.1 µg/g lw) nur knapp dahinter, ebenfalls deutlich über dem Grenzwert.

DDT

Giftstoffdeklaration „environmentally hazardous substances“

Nutzung: altbekanntes Insektenvernichtungsmittel.

Verbot/Resteinsatz: schon in den 70er Jahren in Deutschland verboten. In der DDR wurde es bis 1984 in grossen Mengen gegen Borkenkäfer eingesetzt. Bann durch Stockholmer Konvention 2004. Bis heute wird DDT z. B. in der Malariabekämpfung genutzt, indem damit Räume zweimal jährlich besprüht werden.

Schadwirkung: Vor allem über die östrogenähnliche Wirkung und damit verbundene Verschiebung der Geschlechterverteilung zugunsten der Weibchen wirken sich DDT und seine Abbauprodukte auf Wale und Delfine aus. Der auffallendste Effekt, der zum Bann der Substanz beitrug, war die Verringerung der Eierschalendicke von Vögeln (The silent spring, Rachel Carson).

Grenzwerte: Der beste Grössenvergleich bietet sich für mich auf der Wikipedia-Seite (https://de.wikipedia.org/wiki/Dichlordiphenyltrichlorethan): Die mittlere DDT-Belastung der Muttermilch in West-Deutschland ging zwischen 1980 und 1994 von etwa 1,910 µg/g Fett auf 0,367 µg/g Fett zurück.

Grenzwerte WHO: 5 µg /g Fett im Fleisch von Säugern bzw. Meeressäugern

seltener weisser Fleckendelfin mit normalem Kalb

Daten der Studie bei den Kanaren:

Die grössten Mengen DDT wurden im Fettgewebe männlicher Fleckendelfine bei den Kanaren gefunden. Dort erreichen die Mittelwerte 7.32 µg/g lw.

Vergleich mit stark belasteten Grossen Tümmlern:

Relativierend könnte man anmerken, dass das wenig sei, im Vergleich zum Gehalt an mehrfach gechlorten organischen Verbindungen in Tümmlern, aber diese leben eher küstennah, sind den Folgen des menschlichen Treibens direkter ausgesetzt und werden deswegen geschützt. In den Grossen Tümmlern bei den Kanaren (Tursiops truncatus) wurden folgende Werte gefunden:

Median: 24.2 µg DDT /g lw and 30.8 µg PCB /g lw.

Die Bandbreite der Werte liegt zwischen 0.19 to 1252 µg DDT/g lw, und 0.24 bis 1017 µg PCBs /g lw (García-Alvarez et al., 2014).

Die in freiem Wasser schwimmenden Fleckies sind also ähnlich bedroht, wie an der Küste lebenden Tümmler und die europäischen Populationen von Orcas vor Schottland und Spanien.

Vergleichsdaten:

Eine wertvolle Zusammenfassung der Datenlage gibt es in einer Studie über Meeressäuger in europäischen Gewässern: https://www.nature.com/articles/srep18573

Eine weitere, sehr interessante Zusammenfassung bietet Greenpeace: https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/greenpeace_wale_vergiftet_0.pdf

Problematik:

Todesursachen (Eva Sierra ULPGC)

Es ist immer schwer, die Konsequenzen einer hohen Schadstofffracht tatsächlich einzuschätzen. Als dahingehenden Versuch kann man vielleicht die Statistiken der Todesfälle von Cetaceen Europas (https://www.nature.com/articles/srep18573#f6) bemühen:

Jepson, P. D. et al. PCB pollution continues to impact populations of orcas and other dolphins in European waters. Sci. Rep. 6, 18573; doi: 10.1038/srep18573 (2016).:

Tiere mit Todesfällen durch Kollision zeigen nur geringe Konzentrationen an PCB auf, diese Tiere könnten als Nullwert dienen.

Bei Tieren, die durch infektiöse Krankheiten gestorben sind, lagen die PCB Konzentrationen um 200 % höher.

Bei Tieren, die durch Unterernährung gestorben sind, lagen die Werte 130 bis 328 % höher