24.05.20 Tieftaucher gestrandet

Ein Wal ist bei uns vor der Tür gestrandet, direkt am Charco del Conde, am „Baby Beach“.  Es ist immer sehr beeindruckend und lehrreich, einem dieser Riesen so nahe kommen zu können. Auf diese Art und Weise bekommen wir einen besseren Eindruck von der Vielfalt der Tiere und ihrer Lebensweisen in den Tiefen des Ozeans. Diesmal hatten wir die Möglichkeit, den Prozess der Anlandung und des Abtransportes dokumentieren zu können.

Der Cuvier-Schnabelwal trieb nah vor der Küste

Gegen 12.00 Uhr mittags wurde ein treibender toter Wal angekündigt, bei dem sich Hammerhaie ein Stelldichein gegeben hatten. Um 14.00 Uhr trieb er vor dem Hafen vorbei und gegen 15.00 Uhr hatte ihn die Strömung bis vor den Charco del Conde verfrachtet. Natürlich ist ein treibender Kadaver ein gefundenes Fressen für alle anderen Meeresbewohner, von Haien war zu dem Zeitpunkt allerdings ausser den Bisswunden nichts mehr zu sehen.

Es handelt sich um einen Cuvier-Schnabelwal, den Tieftaucher überhaupt. Zwischen den Kanaren, vor allem vor der Insel El Hierro, sind diese wenig bekannten Vertreter der Zahnwale in stabiler Population anzutreffen. Dort wird ihr Verhalten von Wissenschaftlern seit vielen Jahren untersucht, auch vor La Gomera können wir sie gelegentlich beobachten.

Die Zähne wachsen nur bei den Männchen das Zahnfleisch durch. In diesem Fall haben sich an der Basis Entenmuscheln der Gattung Conchoderma festgesetzt.

Da wir Schnabelwale meist nur sehr kurz zu Gesicht bekommen, wissen wir die Arbeit der Forscher besonders zu schätzen. Normalerweise nähern sie sich nur für 2 bis 5 Minuten der Oberfläche, um dann wieder für 20 bis 50 Minuten in der Tiefe zu verschwinden. Gelegentlich erreichen sie auf ihren Tauchgängen, auf der Suche nach Kalmaren, bis zu mehrere Tausend Meter Tiefe. Ihre Nahrung saugen sie dabei regelrecht ein, so dass sie die Zähne, die entsprechend auch nur bei den Männchen sichtbar werden, nur für Rivalenkämpfe benötigen. Von solchen Kämpfen zeugen die vielen tiefen, zweistreifigen Narben auf dem Rücken unseres Exemplares.

tiefe Bisswunden, wahrscheinlich durch die von Fischern beobachteten Hammerhaie

Das in unserem Fall 5,10 m lange Männchen hatte nach Schätzung des zuständigen Biologen aus dem Netzwerk für Walstrandungen, Manuel Carrillo, ein Gewicht von 1,5 Tonnen. In den Flanken hatten einige Haie ganz offensichtlich ihre Zähne vergraben und die Schwanzflosse war komplett abgekaut worden.

Ziemlich genau auf der Höhe der Flut wechselte die Strömung und die Wellen trieben den Kadaver an die Küste. Dort strandete er so, dass die Gemeinde bald darauf den Strand absperren musste.

Am Tage des Abtransportes mit Manolo Carrillo

Es ist immer ein grosses Problem, die Kompetenzen für eine Bergung abzustimmen, so konnte der Wal erst am 26.05. abgeholt werden. Dafür konnten sich Meeräschen, Wespen und Krabben begeistern, die in grosser Zahl unter und auf ihm erschienen. Am Ende wäre er nach einigen Monaten auch so abgetragen worden, aber er lag nun einmal „technisch“ ungünstig. Man muss sich vorstellen, was es bedeutet, wenn in einer so kleinen Gemeinde der Strand gesperrt werden muss bzw. ein schlechtes Bild geworfen wird, die Geschäfte schlecht laufen, weil vor der Küste ein stinkender Kadaver verfault. Da steckt der zuständige Stadtrat schon einige bissige Kommentare ein.

Am Seil wurde der Wal erst in tieferes Wasser gezogen und dann mit einem Boot abgeschleppt.

Um 13.00 Uhr war Manolo Carrillo, die lokale Polizei und der Bürgermeister anwesend und die Bergung konnte eingeleitet werden.

Mit steigender Flut gelang es uns, den Kadaver tatsächlich in Bewegung zu setzen. Zunächst haben wir ihn mit einem Seil in immer tieferes Wasser gerollt und dann schwimmend an einem Felsen vor der Küste befestigt.

Von da aus konnte ihn ein Boot in den Hafen schleppen.

vorbei an Surfern gings im Schlepptau zum Hafen

Dort wurde er von dem Lastenkran gehoben und auf einen Laster verladen, der ihn dann zur grossen Müllhalde brachte. Leider war der Zustand dieses Tieres nicht mehr sehr ansprechend, so dass man das Skelett nicht als Ausstellungsobjekt hätte verwerten können. Auch für eine Obduktion war es nach Aussage von Don Carrillo schon zu spät. So wurde am Ende eine Gewebeprobe für eine genetische Analyse entnommen, ein Zahn dient zur Altersbestimmung und ein Foto der charakteristischen Narben im Rückenflossenbereich wurde der Uni La Laguna zum Abgleich mit den bisher katalogisierten Tieren weitergeleitet.

Wenigstens konnte zunächst keine menschengemachte Ursache für die Strandung ausgemacht werden.