Kollisionen

Der stark zunehmende Verkehr auf dem Meer stellt ein weiteres grosses Problem für die hier lebenden Cetaceen-Populationen dar: Zusammenstösse mit Booten. Schnellboote und Jet-Skis sind gefährlich für die verspielten Delfine. Die grossen schnellen Schiffe bringen die grossen Wale in Gefahr.

grosse Frachtschiffe

Situation bei den Kanaren:

Auf den Kanaren wurden insgesamt 64 Strandungen zwischen 1985 und 2012 als Folgen von Kollisionen beschrieben. 61 davon ergaben sich, seit die Schnellfähren ihren Betrieb aufgenommen haben, die meisten davon mit Pottwalen. Studien aus dem Jahr 2016 schätzen die Fortpflanzungsrate der Pottwale als zu niedrig ein, um der Verlustrate entgegenzuwirken. Insgesamt werden 5,8 % aller Strandungen auf Kollisionen zurückgeführt. Einer anderen Studie zufolge sind 11 % der gestrandeten Wale durch Zusammenstösse gestorben. Die Internationale Meeres-Organisation IMO hat die Kanaren als einen der 5 „Hotspots“ auf der Erde definiert, wo es wichtig ist, dass Massnahmen zum Schutz der Cetaceen ergriffen werden. Seit 2015 existiert eine Zusammenarbeit zwischen den Fährgesellschaften und der Uni La Laguna in Form einer Gruppierung zur Vorbeugung von Kollisionen. Trotzdem stellen kanarische Wissenschaftler 2016 die Frage, ob die Pottwale die Zahl der Kollisionen mit Schiffen auf den Kanaren überstehen können…

Lösungsansätze bis 2019

Pottwal mit Anzeichen einer Kollision

Bis 2019 wurden – als einzige Massnahme zur Vermeidung von Zusammenstössen in einer Zusammenarbeit zwischen der Uni und den Fährgesellschaften (Transmediterranea, Fred Olsen und Naviera Armas) – Freiwillige ausgebildet, um auf den Fähren Ausschau zu halten und auf das Vorhandensein von Walen aufmerksam zu machen. Die Fährverantwortlichen mussten dann jeweils entscheiden, ob sie eine Kursänderung einleiten oder nicht.

Immerhin war das schon ein Entgegenkommen der Fährgesellschaften, die bis 2015 eher versucht haben, dem Problem ausweichend zu begegnen.

Veränderung der Fährverbindung mit La Palma und La Gomera

Anfang 2019 ergab sich nach mehreren Kollisionen von Walen mit Fähren ein grosses Echo in den lokalen Medien. Daraufhin kündigte der Präsident der Inselregierung von Teneriffa Konsequenzen an. Ab 19.07.19 hatte daraufhin die Gesellschaft Fred Olsen eine Verlegung ihrer Routen in den ZECs (Zonas de especial conservacion) eingerichtet. Auf diesen neuen Routen sind sie weniger lang in den Schutzgebieten unterwegs. Theoretisch wird so das Risiko einer Kollision gemindert.

Hmmmmh.

Die grünen Bereiche sind Meeresschutzgebiete

Es fällt mir deswegen so schwer, das niederzuschreiben, weil die Schutzgebiete zum Schutz der Tümmler und Karettschildkröten in diese Position gelegt wurden. Bei der Planung der Position hat man sich an die Präsenz dieser beiden Arten gehalten. Kollisionen sind aber hauptsächlich mit Pottwalen verzeichnet worden und die leben meiner Erfahrung nach nicht konzentriert in diesen Gebieten. Eventuell könnte man sich für die Pilotwale freuen, die von der Fähre aus in grosser Regelmässigkeit ebenfalls zu beobachten sind und möglicherweise auch ein Problem mit den Fährlinien haben.

Sensible Zonen Kollisionen (Fabian Ritter)

Die sind nun leider aber auch in dem Gebiet der neuen, geplanten Route unterwegs….

Vielleicht sollte man doch die Geschwindigkeit reduzieren?

Eine sehr eingängige Graphik hat Fabian Ritter vom M.E.E.R. e.V. erstellt. Darin sehen Sie die wichtigen Fährverbindungen der Kanaren, gekreuzt mit den Gebieten hoher Wal-Dichte.

Licht am Horizont?

In einer Notiz vom 19.09.19 wurde von Fred Olsen und der Universität von La Laguna (Grupo de Investigación en Biodiversidad Marina y Conservación) auf Teneriffa angekündigt, dass von nun an thermische Kameras getestet werden sollen, um Wale aufzuspüren. Zunächst ist der Einsatz auf der Fähre Benchijigua Express geplant, die zwischen Teneriffa, La Gomera und La Palma unterwegs ist. Es handelt sich um ein Pionierprojekt, bei dem Spitzentechnologie eingesetzt wird, ohne finanzielle Unterstützung, das mit einer technischen Leihgabe durchgeführt wird.

Der Pottwal ist eine der von Kollisionen bedrohte Art (Foto: Canarias Ahora)

Ausserdem will man die Mannschaften der Fähren entsprechend ausbilden, damit sie im Falle einer Sichtung von Tieren die entsprechenden Massnahmen ergreifen. Für zukünftige Offiziere gibt es seit 4 Jahren jetzt ein entsprechendes Fach an der hiesigen Fakultät für Nautik und Transport auf dem Meer.

Die thermischen Kameras wurden tatsächlich 2019 erfolgreich eingesetzt, allerdings war es nicht möglich, dies ohne einen ständigen Beobachter automatisiert durchzuführen. Die in Coronazeiten durchgesetzten Massnahmen zur Sicherung der Distanz erschweren den Einsatz von zusätzlichem Personal, so es denn überhaupt das Interesse gäbe. Seitdem (Stand November 2021) liegt das Projekt auf Eis.

treibender Pottwalkadaver im November 2021 vor La Gomera

Immer wieder wird die Frage gestellt, warum man nicht Pinger in den Fähren einsetzt, um Wale dadurch frühzeitig vor der anrollenden Gefahr zu warnen. In der ersten grossen Kollisionsphase um 1997 sind in Teneriffa sogenannte Pinger (https://de.wikipedia.org/wiki/Pinger) an den Fähren angebracht worden, bloss um sie gleich wieder auszubauen. Aus dem Bereich der Fischerei, wo man mit Pingern gearbeitet hatte, um Delfine und Robben zu vertreiben, war bekannt geworden, dass die Ergebnisse lausig waren, da die Pinger eher als Anreiz aufgenommen wurden, um zu den mit Fisch gefüllten Netzen zu schwimmen und dort zu verenden. Möglicherweise sind im Zusammenhang mit den nach verschiedenen Militärmanövern (eingesetzte Sonare zur Ubootortung mit bis zu 230 dBA hatten zu einer Massenstrandung von Schnabelwalen geführt: https://www.gomeravive.com/de/wissen/meer-wissen/der-mensch-und-das-meer/unterwasserlaerm/) auch die Avancen für Pinger komplett begraben worden.

Blauhaie spielen die Umweltpolizei, Pilotfische hoffen auf Reste

In jedem Fall sollte man aber immer vorsichtig sein, Schallquellen mit enormer Schallintensität in der Nähe von sensiblen Tieftauchenden Walen wie den Schnabelwalen einzusetzen. Man könnte vielleicht die weniger sensiblen Pottwale schützen, aber die Schnabelwale abfertigen. Dann hatte man sich auf fest installierte Unterwassermikrofone versteift (mit denen man die Tiere dann hätte orten können), die am Ende hier auch nie eingerichtet wurden.

Generell ist es klar, dass bei höherem Verkehrsaufkommen auf den Meeren, mit immer längeren Transportwegen, auch die Gefahr eines Zusammenstosses wächst. In diesem Fall hilft es wirklich, lokale Produkte zu konsumieren, wo immer es möglich ist.

Die Frage, ob wir tatsächlich so schnell von einer Insel zur anderen kommen müssen, steht ebenfalls noch im Raum.