Unterwasserlärm

Bevor der Mensch seine Aktivitäten in die Meere ausgedehnt hat, war es dort, abgesehen von dem Rauschen der Wellen und den Gesängen der Wale, weitgehend still. Bei zunehmender Nutzung der Wasserwege mit immer grösseren Schiffen sieht das heute anders aus.

Walbeobachtung

Um die Auswirkungen des anthropogenen Lärms auf die Cetaceen zu verstehen, muss man sich zunächst auf deren Abhängigkeit vom Schall als Basis für die Kommunikation, Ernährung und Orientierung einstellen.

Die Sensibilität ist entsprechend ausgeprägt. Dazu trägt der Schall im Wasser wesentlich weiter und überträgt sich 4,5 mal so schnell wie in der Luft (man glaubt, dass die Furchenwale sich auf Distanzen von mehreren hundert Kilometern verständigen und lokalisieren können). In einer Tiefe von 500 – 700 m wird der Schall konzentriert und weitergeleitet, was die Tiere, welche in diese Tiefe abtauchen, besonders empfindlich macht. In der Aufnahme hören Sie, wie laut ein Schiffsmotor in einer Entfernung von etwa 15 Metern ist. Man kann sich vorstellen, dass einige der Lautäusserungen, auch wenn es nur feine Nuancen sind, von diesem Hintergrundgeräusch übertönt werden, oder dass es „lästig“ ist.

grosse Frachtschiffe

Hintergrundgeräusche: Bis vor einigen Jahrzehnten lebten die Wale in einer Welt aus sehr sanften natürlichen Geräuschen wie Wellenrauschen. Heute wird von kleinen und grossen Schiffen (die Lautstärken von zwischen 150 dB in einem Fischerboot und 170 – 190 dB in einem Supertanker produzieren, alle Werte in dB re 1µPa) und anderen Unterwasseraktivitäten ein dauerhaftes Hintergrundgeräusch produziert.

Man weiss nicht, bei welcher Lautstärke ein Cetacee einen Sensibilitätsverlust erleidet, aber man geht davon aus, dass der wesentlich weniger empfindliche Mensch im Wasser bei 150 – 180 dB (Lautstärke eines mittleren Schiffes auf 1 m Distanz) Schaden nimmt. Da es je nach Gebiet ganz unterschiedliche Lärmpegel gibt, sind vor allem die stabilen Populationen der frequentierten Gebiete in Gefahr, wie zwischen Teneriffa und Gran Canaria oder in den ruhigen Küstengebieten der Südlagen. Es ist schwierig abzuschätzen, wie die Tiere reagieren werden:

Wenn sich ein Boot annähert, beginnen die meisten Arten ihr Verhalten zu verändern, wenn es noch zwischen 200 und 400 m entfernt ist, in einigen Fällen noch viel eher (mehrere km). Damit kann der Lärm der Boote Nahrungssuche, Partnersuche, Pflege der Nachkommen, usw. verhindern oder stören und sogar Verlagerungen der Gruppe in ruhigere Gebiete provozieren. Möglicherweise werden Tiere so aus für sie wichtigen Nahrungszonen vertrieben. Ausserdem maskieren die Geräusche jede Verständigung. Wenn sie sogar einen Teil ihrer Sensibilität verlieren, werden sie Probleme bei der Verständigung, der Jagd, innerartlichen Beziehungen oder der Aufspürung von Feinden haben: Man hat die grosse Zahl der durch Kollisionen gestorbenen Pottwale mit der Unfähigkeit, herannahende Schiffe zu hören, in Verbindung gebracht.

Punktuelle Geräusche:

Tote Schnabelwale nach Manöver 2002 (SECAC)

Die beim Einsatz von Sonaren des Militärs (Breitband von 220 bis 245 dB) oder bei Untersuchungen des Meeresbodens (Breitband bis 255 dB) benutzten Schallstärken sind viel grösser. Zusätzlich zu den bereits betrachteten Folgen für Cetaceen können sogenannte “kritische Verhaltensweisen” wie Migrationen, Reproduktion oder Ernährung grossräumig gestört und das Gehör beschädigt werden und in besonderen Fällen sogar der Tod von ganzen Gruppen von Individuen herbeigeführt werden (siehe Schnabelwale S. 25).

„Prospecciones“. Untersuchungen des Meeresbodens mit Schallkanonen

Gravierende Folgen haben die Einsätze militärischer Sonare hervorgerufen. Von den 11 auf den Kanaren verzeichneten Massenstrandungen fanden 6 im gleichen Zeitraum wie Militärmanöver statt. Die sogenannten “MFAS” (Mittelfrequenzsonare), die in den Manövern genutzt wurden, überschritten offensichtlich bei weitem die Toleranzwerte dieser Tiere in einem Umkreis von einigen Dutzend Kilometern. Das letzte Manöver fand 135 km nordöstlich von Lanzarote statt und trotzdem kam es zu Strandungen. 9,42 % der Strandungen werden auf Sonare zurückgeführt. Seit 2004 sind keine Sonare bei den Kanaren mehr getestet worden und seitdem gibt es keine Massenstrandungen mehr.

http://www.fishsafe.eu/en/offshore-structures/seismic-surveys.aspx

Auch die bei Untersuchungen des Meeresgrundes entstehenden Geräusche sind extrem laut. Bei einer Routineaufnahme der Geräusche bei einer Pilotwalgruppe mit dem Unterwassermikrofon am 30.10.2017  konnten wir im Hintergrund die alle 10 Sekunden wiederkehrenden Schallexplosionen einer solchen Untersuchung hören. Im Oktober 2017 wurden von Tauchern vor der Insel Lanzarote ganz ähnliche Aufnahmen gemacht. Wahrscheinlich stammen sie von Untersuchungen des Meeresbodens, die derzeit vor der Küste Marrokkos gemacht werden, aus einer Distanz von etwa 200 – 400 Kilometern.

Erdölfelder südlich der Kanaren (https://puertocanarias.com/es/node/38599

Jeweils bei Sekunde 8, 18 und 28 hören Sie die Explosionen, die bei Sekunde 28 ist am Besten erkennbar. Es ist noch leicht verständlich, dass die von ihrem Gehör abhängigen Wale und Delfine Probleme mit den eingestzten Schallkanonen und Sonaren haben. Generell wird der Einfluss von Schall auf die Meeresfauna aber immer mehr in den Fokus der Naturschutzorganisationen gerückt. Eine interessante Zusammenfassung finden Sie in dieser Arbeit.

Wer noch nicht davon gehört hat, dass an der afrikanischen Küste Erdöl abgebaut wird, der werfe einen Blick auf die Karte. Sie erklärt vielleicht auch die Zahl der auf Reparatur wartenden Bohrplattformen in den kanarischen Häfen.

Von Dakhla bis an den südlchsten Zipfel reicht die Zone der von Marokko vorgesehenen Bodenuntersuchungen.

Ende 2021 hat auch Marokko wieder eine Konzession zu Probebohrungen erteilt. Hier sollen südlich der Kanaren, bei einer Distanz von nur 350 km möglicherweise noch in unserem Einflussbereich, Erdöl und Erdgas gesucht werden.

Eine weitere mögliche Schallquelle wären Untersuchungen des Untergrundes für den Abbau von Metallen und Mineralien, die an den Seamounts südöstlich der Kanaren durchgeführt werden.