Strömungen

Zu den Strömungen gehören die grossräumigen Meereströmungen mit den Wirbeln im „Schatten“ der Inseln, aber auch die Gezeitenströmungen und die kleinräumigen küstennahen Strömungen.

Wellen und Strömungen und die oft auftretende Unvorsichtigkeit sowohl heimischer als auch fremder Badegäste sind auf den Kanaren für mehr Todesfälle verantwortlich als Verkehrsunfälle! 2020 starben 43 Menschen auf den Kanaren bei Badeunfällen und nur 22 auf der Strasse.

Grossräumige Meeresströmungen

Strömungen und Chlorophyllgehalt des Nordatlantiks. Nach Seawifs c04_chl2007_natlantic; verändert

Grosse Wassermassen fliessen im südlichen Abschnitt des Nordatlantischen Strömungszyklus von Afrika zwischen den Inseln hindurch. Ein Arm des Golfstroms biegt vor der portugiesischen Küste in südlicher Richtung ab, vermischt sich dort und vor Afrika mit kaltem und nähstoffreichem Tiefenwasser und bildet so den Kanarenstrom, der dann zur Karibik weiterfliesst (stark vereinfachtes Modell). Dieses generelle Strömungsbild wird von den Gezeitenströmungen überlagert, die je nach Mondphase die hauptsächliche Richtung verändern und sogar umkehren können.

Je nach Jahreszeit ergeben sich ebenfalls grosse Veränderungen: Wissenschaftler des spanischen ozeanografischen Instituts unterscheiden zwischen den Wassermassen des Kanals zwischen Lanzarote und Afrika (LC=Lanzarote-Channel) und denen, die im Bereich der ozeanischen Inseln im Kanarenstrom fliessen (CC=Canary-Channel).

Wassertiefen und Strömungen bei den Kanaren. Blau=Frühling; rot=Herbst

Sie beobachteten im Frühling im CC eine mit 1,0 Sv nach Süden gerichtete Strömung, die sich im Herbst auf 2,9 Sv verstärkte (1 Sv= 1 Million Kubikmeter Wasser pro Sekunde). Im LC kehrt sich der mit 0,6 Sv recht schwache südlich gerichtete Strom sogar in eine 2,8 Sv starke nach Norden gerichtete Strömung um. (The AMOC and the seasonal cycle of the Canary Current. Pedro Vélez-Belchí, Alonso Hernández Guerra and Maria Dolores Pérez-Hernández. Instituto Oceanografico Español)

Ein Strömungswirbel zieht südlich an den Kanaren vorbei.

Eddies

Um es noch komplizierter zu machen, ziehen gelegentlich grossräumige und stabile Strömungswirbel, sogenannte Eddies, zwischen den Kanaren hindurch, wie Sie in der folgenden Darstellung (aus Geostrophic and ageostrophic circulation of a shallow anticyclonic eddy off Cape Bojador. Simon Ruiz, Josep L. Pelegrı, Mikhail Emelianov, Ananda Pascual, and Evan Mason) anschaulich erkennen können.

Am 08.11.17 gab es bei den westlichen Kanaren nach der Angabe der staatlichen Hafenbehörde dieses Strömungsbild.

Wenn Sie meinen, genauer Bescheid wissen zu wollen, dann können Sie unter http://www.puertos.es/es-es/oceanografia/Paginas/portus.aspx unter anderem auch die kleinräumigen Strömungen mit täglichen Vorhersagen aufrufen. Sie brauchen nur die Karte auf Ihr Gebiet zoomen und können damit Strömungskarten wie diese aufrufen.

Blaue Bereiche haben so gut wie gar keine Strömung, das leuchtende Rot gibt eine Geschwindigkeit von etwa 1 m pro Sekunde an.

Strömungen am 25.03.18.

Auch kleinräumig bilden sich gelegentlich Eddies. Die Strömungsituation am 25.03.2018 zeigt einen vom kräftigen Passatwind in südwestlicher Richtung angetriebenen Wassertransport im Südosten Teneriffas, der sich im Süden in einen rechtsgedrehten Wirbel verwandelt. Innerhalb dieses Wirbels wird das Wasser durch die Corriolisbeschleunigung nach innen abgelenkt und daraus resultiert eine abwärtsgerichtete Wasserpumpe. Hier wird in der Mitte des Wirbels für einen Zeitabschnitt von einigen Tagen Plankton konzentriert, da der Auftrieb oder/und die Schwimmfähigkeit der meisten grösseren Organismen gross genug ist, um in der Nähe der Oberfläche zu bleiben. Gleichzeitig wird für die in der Tiefe lebenden Fische vitales sauerstoffreiches Wasser nach unten gepumpt.

Ein linksgerichteter Eddie, wie er gelegentlich im Nordwesten Teneriffas entsteht, pumpt Wasser aus der Tiefe nach oben und bringt so kühles und nährstoffreiches Wasser an die Oberfläche. Beide Formen der Wirbel sorgen also für  veränderte Wachstumsbedingungen.

Strömung zwischen Gomera und Teneriffa bei ablaufendem Wasser in Springtiden

Gezeitenströmungen

Als ob es damit nicht reichen würde, bringen die Gezeitenströmungen wieder alles durcheinander. Bei auflaufendem Wasser läuft die Welle von West nach Ost zwischen den Inseln durch. Bei ablaufendem Wasser bzw. Ebbe fliesst es genau entgegengesetzt. In den Phasen der sogenannten Springtiden an Voll- und Neumond sind die Strömungen besonders stark. In der Darstellung rechts ergeben sich für die Südspitze Teneriffas und den Nordwesten La Gomeras jeweils Strömungsgeschwindigkeiten von 1 m pro Sekunde.

Küstennahe Strömungen:

Playa del Inglés 29.10.20
Wellen an der Playa del Inglés

Wenn man von den herausragenden Landzungen oder Spitzen absieht, die in die oben genannten grossräumigen Strömungen hereinreichen, kommt an den meisten Stränden eine andere Dynamik zum Tragen: Die vor allem Badegäste, Schwimmer und Taucher interessierenden Strömungen vor der Küste hängen hauptsächlich von den Wellen ab.

Wie im Kapitel über Wellen dargestellt, erhöht sich die Masse des bewegten Wassers mit der Konstanz der wehenden Winde, mit der Windstärke und mit der Strecke, aus der die Welle aufgebaut wurde. Mit der Distanz zur Wellenbildungszone flachen die Wellen wieder ab. Generell machen grosse Wellen starke Strömungen, vor allem aber bewegen Wellen mit grosser Wellenlänge auch grosse Mengen Wasser!

Starker Wellengang mit Schaum an der Playa del Inglés in Valle Gran Rey

Befindet sich auf dem atlantischen Ozean ein grosses Tiefdruckgebiet, müssen wir in den darauffolgenden Tagen mit grossen Wellen und starken Strömungen vor den Stränden rechnen. Tief in Buchten versteckte Strände sind natürlich weniger gefährdet, aber generell werden nach Norden und Westen orientierte Gebiete eher von Wellen und damit auch von Strömungen beeinflusst.

Sobald die Wellen nicht in gerader Linie auf den Strand treffen, ergibt sich ein die Küste entlang gerichteter Wassertransport – eine Strömung. Sollten sie an einer solchen Stelle beden gehen, werden Sie möglicherweise in ein felsiges Gebiet abgetrieben, an dem Sie nicht mehr an Land kommen.

Hinter vorgelagerten Felsen oder Landzungen bilden sich gerne Kreiselströmungen, die nur wenige Meter weiter wieder auf das Land zuführen, kleinräumig aber so stark sein können, dass es sie im bauchnabeltiefen Wasser von den Füssen reisst.

Rip-Current oder Unterströmung?

National Weather Service, Wilmington, NC derivative work: Xander89 (talk)

Noch interessanter kann es werden, wenn nicht sichtbare Felsen oder Sandbänke zur Ausbildung von Kreiselströmungen führen. Über die Untiefen strömt zwar mit dem höheren Wasserstand bei einlaufender Welle viel Wasser ein, aber nicht bei niedrigem Wasserniveau in der ablaufenden Welle wieder hinaus. Darum sucht sich das ablaufende Wasser Kanäle, in denen es dann besonders stark fliesst.

Unterströmung ist meiner Meinung nach ein problematisches Wort, impliziert es die Tendenz man könne in die Tiefe gesogen werden. Das passiert nicht. Generell werden Wellen über dem Grund gebremst, während sie weiter oben noch eine höhere Geschwindigkeit beibehalten, weshalb sie ja auch überschlagen bzw. brechen. Das wirkt, vor allem bei sehr grossen Wellen, als ob es uns die Füsse wegreisst.

Richtige Unterströmung habe ich mal im Südosten Teneriffas erlebt. Was muss ich auch bei 6 Windstärken tauchen gehen… Der Wind drückte die Wellen mit Macht Richtung Küste und erzeugt damit auch einen Strömungstransport Richtung Küste. Der kann nur oberflächlich sein, in ein paar Meter Wassertiefe geht es mit der gleichen Geschwindigkeit wieder von der Küste weg. In 15 m Wassertiefe konnte ich nicht gegen die Strömung in Richtung Küste tauchen, alle Anstrengung war wirkungslos. Das ist aber auch nur für Taucher interessant.

Verhalten in Strömungen

Generell sollte man nie versuchen, gegen eine Strömung anzuschwimmen. In den meisten Fällen handelt sich ja um kleinräumige Strömungen und schon mit einer kleinen seitlichen Ausweichbewegung kommen sie oft wieder an Land. Besonders wichtig ist es, die Kräfte zu schonen. Ganz sicher hat sie jemand bemerkt und die entsprechenden Autoritäten informiert.

Sollten sie jemanden in Seenot bemerkt haben, hilft auch hier die allgemeine Notrufnummer 112.