04.12.18 Warum die Nordsee nicht nur ein flaches Schlammbecken und der Atlantik keine Fundgrube ist.

Um das Meer hier bei den Kanaren zu charakterisieren und herauszustellen, dass die Wassertiefen hier ozeanisch bzw. gigantisch sind, vergleiche ich den Atlantik gerne mal mit der Nordsee.

Die Wassertiefen zwischen den Inseln sind beachtlich

Die Kanarischen Inseln „wachsen“ regelrecht aus dem Ozeanboden empor und in direkter Nähe zu den Küsten findet man bereits sehr grosse Wassertiefen.

Die durchschnittlich 700 m tief tauchenden Pilotwale finden wir deshalb schon recht nah, etwa 3 Meilen vor der Küste.

Zwischen La Gomera und La Palma bzw. zwischen La Gomera und El Hierro passieren die Fähren Wassertiefen von über 3000 Metern. Auch wenn zwischen Teneriffa und La Gomera die Tiefen an der flachsten Stelle im Graben nur bei etwa 1000 m liegen, kommt man auf dem Weg nach San Sebastian über Wassertiefen von 1600 m.

So kann ich die Nordsee-Anwohner leicht etwas kitzeln, liegt die mittlere Wassertiefe in ihrem geliebten wilden Küstenmeer doch nur bei 50 Metern. Der Ärmelkanal bringt es an einigen Stellen sogar nur auf 20 m!

Die Nordsee hat die Nase vorne. Strömungen und Chlorophyllgehalt des Nordatlantiks. Nach Seawifs c04_chl2007_natlantic; verändert

Wenn ich dann in den Augen der Küstenbewohner schon die verzweifelte Suche nach Argumenten „für“ ihr Gewässer sehen kann, schwenke ich das Thema ein wenig und komme zur Produktivität. Und da hat die Nordsee (auch und noch mehr die Ostsee) bei weitem die Nase vorn.

In den 90ern habe ich noch in Deutschland Biologie studiert und im Rahmen eines Meeresbiologischen Praktikums das Wattenmeer um den Westerhever Leuchtturm erkundet. Bei einer Auszählung der kleinen Wattschnecke kamen wir an einer Stelle auf 200.000, richtig, Zweihunderttausend pro Quadratmeter. Versteht sich von selber, dass die Biester nicht gerade riesig sind. Aber trotzdem, was für eine Menge! Da diese Schnecken sich von Algen ernähren, muss wohl der Bewuchs des schlickreichen Untergrundes ebenfalls sehr dicht gewesen sein, auch wenn wir die hauptsächlich aus winzigen Kieselalgen bestehende „Beute“ nicht sehen bzw. nur als „Schmier“ erkennen können.

Miesmuscheln Pindo (Ría de Corcubión, Galizien)

Tatsächlich, und hier kommt der Punkt, gehören die Gewässer mit nährstoffreichen Flussmündungen, das Wattenmeer und Korallenriffe, zu den produktivsten Zonen der Erde. Dort werden pro Jahr und Quadratmeter bis zu 2 kg Kohlenstoff fixiert, dass heisst aus CO2 zu pflanzlichen Kohlenhydraten umgewandelt, und entsprechende Mengen Sauerstoff freigesetzt.

Die Fotos aus der Nordsee sind mir verloren gegangen, ich kompensiere mit Fotos aus der Ría de Corcubión in Galizien, am Strand von Pindo. Die Zahl der sich als Filtrierer ernährenden  Miesmuscheln macht deutlich, wieviel Nahrung (winzige planktonische Algen und Tiere) hier im Wasser ist.

Die Hälfte des Sauerstoffs unserer Atmosphäre wird entsprechend im Meer freigesetzt. Dieser Hinweis gilt für allem für diejenigen, die bisher dachten, dass wir vor allem die tropischen Regenwälder schützen sollten, wenn wir unsere Atemluft in ihrer jetzigen Qualität bewahren wollen.

Küste Mauritaniens

Der offene Atlantik bietet das nicht. Es gibt kaum Zufuhr von Nährstoffen für Algen (Mineraliendünger und Nitrat), die Süsswasser-Zufuhr von Land her ist gering, Abrieb am Boden bringt bei der Tiefe auch nichts. Man schätzt die durchschnittliche Produktionsleistung des offenen Ozeans gerade mal auf 150 g Kohlenstoff pro Quadratmeter und Jahr.

Hohe Produktivität kann der Atlantik, jenseits von Flussmündungen, nur an ganz bestimmten Stellen bieten, wie zum Beispiel gegenüber der Kanarischen Inseln, an der Küste Mauretaniens. Von da stammt das Foto mit den Kormoranen und Pelikanen. Dort ist eine nährstoffreiche Tiefenströmung für die enorme Produktion verantwortlich, die durch die enorme Zahl der Vögel an der Küste zum Ausdruck gebracht wird, die dann wieder an die Nordsee erinnert … an die Schlammpfütze.