08.08.23 Mikroalgen – ein Zeichen für schlechte Wasserqualität oder Helden der Meere?

Die Algen wachsen überall auf dem offenen Meer bei günstigen Bedingungen: ruhigem Wasser und Calima mit Staub und hohen Temperaturen

Auch wenn es so aussieht, es handelt sich nicht um treibende Reste aus nicht funktionierenden oder nicht vorhandenen Kläranlagen! Es sind auch nicht die Reste der Fäkalien, die von vorbeifahrenden Frachtschiffen ausgestossen werden.

Was derzeit an unsere Küsten gespült wird, sind, wie im Jahr 2017, grosse Mengen der Blaualgen oder Cyanophyceen der Gattung Trichodesmium. Diese Algen werden von Meeresökologen als einer der wichtigsten (positivsten) Organismen für die Primärproduktion auf den offenen Ozeanen betrachtet, davon später mehr.

Nach längeren windstillen Phasen mit Calima mit starkem Algenwachstum, schaffen sich die Algen einen dichten Teppich und erschweren die Durchmischung des Wassers durch Wind.

Ich nenne sie ganz bewusst Blaualgen, auch wenn sie im weitesten Sinne zu den Bakterien zählen. Sie sind schliesslich in der Lage, Photosynthese zu betreiben und unterscheiden sich so elementar von den vielen zersetzenden Bakterien. Wie andere photosynthetisierenden Lebewesen sind auch die der Gattung Trichodesmium von sogenannten Nährstoffen abhängig. Bei den meisten Algen und höheren Pflanzen sind in erster Linie Stickstoff und Phosphor wichtig, meist in der Form von Phosphat und Nitrat, aber genau hier unterscheidet sich unsere Mikroalge Trichodesmium:

bei auflandigem Wind werden die Algen dann an die Küste verfrachtet, wo sie beginnen zu verrotten

Diese Blaualgen sind sehr gut in der Lage, die starken Bindungen des elementaren Stickstoff aufzubrechen! Sie hängen also genau nicht von den Resten aus den Abwassernetzen des Menschen oder anderen Stickstoffquellen ab. Sie stellen den Stickstoff dann auch noch in der Form von Nitrat wieder der Umgebung und damit anderen Algen zur Verfügung und gelten so mit als elementare Basisorganismen für unsere hier eher nährstoffarmen Meere: Sie sind Helden der Meere, vor allem in den Subtropen!

Deshalb sind sie auch ein extrem schlechter Indikator für schlecht oder nicht geklärte Abwässer! Sie sind längst nicht so abhängig von Düngung wie andere Algen.

Kläranlage Valle Gran Rey: Faulschlamm ins Naturschutzgebiet? Suboptimal!

Alles ist gut?

Ich will damit nicht die auf den Kanaren eingesetzten Klärmechanismen schönreden. Ich weiss zum Beispiel, dass sich die Kläranlage von Valle Gran Rey bisher nicht mit Ruhm bekleckert hat. Aber selbst wenn sie noch mehr ungeklärte Abwässer oder Faulschlämme in ihren Vorgarten leeren würde, mehr von den Mikroalgen würde das meiner Erfahrung nach nicht bedeuten.

Ich will auch nicht die Strategien der vorbeifahrenden Schiffe bei der Reinigung ihrer Abwässer aufgreifen. Ausserhalb der 12 – Meilenzone können die ihre Tanks allerdings leeren. Kreuzfahrtschiffe können sogar auch ihre Lebensmittel verklappen, schön geschreddert. Die sorgen natürlich in direkter Umgebung für eine Düngung.

Der Situation auf Teneriffa bzw. dem Film von Felipe Ravina habe ich auch nichts hinzuzufügen.

Allerdings habe ich dort meine Diplomarbeit über die Verdünnung der Abwässer an einer mittelgrossen Ortschaft ohne Kläranlage gemacht und in 150 m Entfernung der Mündung des Abwasserrohres von Porís de Abona keine Nährstoffe mehr finden können. Ich würde darauf wetten, dass bei den starken Strömungen und den riesigen Wassermassen zwischen den Inseln, weder von Teneriffa, noch von den vorbeifahrenden Schiffen etwas auf La Gomera ankommt und auch die hiesigen, relativ kleinen Abwassereinläufe als Ursprung ausschliessen. Zu gross ist die Selbstreinigungskraft des Wassers für menschengemachte Abwässer hier. (Ganz anders sieht es bei den langlebigen Umweltgiften aus!)

In dieser Situation spielen Fäkalien einfach keine Rolle!

Aber selbst das ist irrelevant: Selbst wenn wir einen Düngungseffekt hier beobachten würden, dann wäre es ganz sicher nicht ausgerechnet diese, auf nährstoffarme Gewässer spezialisierte Alge, die dann in so grossen Mengen hier stranden würde. Wer darüber nachlesen möchte: Ganz grob gibt es hier Infos, detaillierter dann hier. Ein Zitat aus dem Abstract der zweiten Arbeit: „The substantial contribution by the diazotrophic cyanobacterial genus Trichodesmium to the nitrogen influx of the global marine ecosystem is by now undisputable and of paramount ecological importance…“

Es bleibt also die Frage, wieso die Algen jetzt hier auftauchen. Häufiges Auftreten von Calima könnte Eisen und Phosphor in die hiesigen Gewässer gebracht haben, von denen ist Trichodesmium auch abhängig. Ruhige Wasseroberfläche und hohe Wassertemperaturen sind ebenfalls hilfreich. Auf der riesigen Meeresoberfäche gedeihen dann die Blaualgen in Massen, weit vor den Inseln und in Küstennähe. Werden die bei auflandigem Wind an die Küsten gedrückt, haben wir „den Salat“. Da heisst es abwarten und auf ablandigen Wind warten …

Nachtrag (15.08): Ich bin kein Arzt

Es sollte aber klar sein, dass ich hiermit nichts darüber aussage, was passiert, wenn man in einem dichten Teppich verrottender Algen baden geht. Welche Auswirkungen das auf jeden Einzelnen hat, hängt nicht nur vom Hauttyp ab, sondern erstens von der Dichte der Algen und zweitens vom Grad des Verwesung. Da sollte wirklich jedem klar sein, dass, wenn es stinkt, andere Bakterien an der Arbeit sind. Auch ist eine dichte Ansammlung von Algen auch ein Zeichen von geringem Wasseraustausch….