Auf den Kanaren gibt es einige generelle Charakteristika, die man gegenüber der für den Mitteleuropäer gewohnten Vegetation herausstellen kann. Genau die werden Sie hier finden.
Die Tatsache, dass die Kanarischen Inseln in der Passatwindzone im subtropischen Trockengürtel als unabhängige Vulkaninseln aus dem Ozeanboden, ohne Verbindung untereinander oder mit dem afrikanischen Kontinent heraufgewachsen sind, bedingt verschiedene Eigenschaften, die sich mit denen auf anderen entlegenen Inselgruppen decken:
1) Vielfalt
Die Inseln bergen eine sehr vielfältige Landschaft mit jungen vulkanischen Bereichen und alten zerklüfteten Gebirgseinheiten sowie grossen klimatischen Differenzen. Auf denen hat sich eine Flora mit einem extrem grossen Anteil an endemischen Pflanzen entwickelt, welche auf mehreren oder nur einer der kanarischen Inseln heimisch sind.
Die zunächst wenigen Erstbesiedler haben sich den unterschiedlichen Bedingungen angepasst, dabei viele ökologische Nischen besetzt und über tausende von Jahren viele neue Arten gebildet.
Bei der kanarischen Gattung der Aeonien haben sich 28 verschiedene Arten ausbilden können, die nah verwandte Gattung Aichryson kommt auf 11 Arten, die Gattung Sideritis, die Gliedkräuter, kommen auf 24 zum Teil sehr verschiedene Arten. DieNatternköpfe (Echium) haben 24, Margeriten (Argyranthemum) schaffen 20 Arten, die Gänsedisteln (Sonchus) bringen es auf 31 Arten! Insgesamt gibt es 514 kanarische Gefässpflanzenarten, die nur hier vorkommen.
2) Riesenwuchs
Durch fehlende echte Kältephasen müssen sich die Pflanzen nicht unter der Erde in Wurzeltrieben oder in der Form von Samen durch den Winter kämpfen, sie wachsen einfach weiter. Viele in Deutschland krautige Pflanzengattungen zeigen hier viele Jahre alte und deutlich grössere Vertreter. Dazu gehören zum Beispiel wieder die Gänsedisteln, aber auch die Wolfsmilch (Euphorbia) deren 12 verschiedene Arten kakteenähnlichen Wuchs zeigen oder mehr oder weniger grosse, verzweigte Büsche bilden.
Die rechts dargestellte Gänsedistel ist wahrscheinlich viele Jahre alt und etwa 250 cm hoch geworden. Der bis zur Blattrosette hochwachsende hölzerne Stiel, der die ganze Pflanze näher am Licht situiert, wächst jedes Jahr etwa 10 cm.
Im Sommer werfen die Gänsedisteln die Blätter ab, um die Verdunstung des Wassers (auf Kosten der dann nicht stattfindenden Photosynthese) herabzusetzen und der Blütenstengel vertrocknet. Sobald im September die ersten Tropfen fallen, schlagen die ersten Blätter wieder aus.
3) Relikte
Die Klimaveränderungen auf der Erde vor allem während der Eiszeiten haben die vom Meer (das wie ein grosser Temperaturdämpfer wirkt) umgebenen Inseln weniger berührt, als die Kontinente.
So konnten Relikte aus vergangenen Zeiten, sowohl innerhalb der Fauna als auch der Flora, hier erhalten bleiben.
Das bekannteste Beispiel ist der Lorbeerwald, dessen Artenzusammensetzung aus Pollen- Ablagerungen in Seen des nördlichen Mittelmeerraumes bekannt war. Als im 17. Jahrhundert die Botaniker die Inseln erforschten, staunten sie nicht schlecht, diese Pflanzengesellschaft in der bekannten Zusammensetzung hier lebend vorzufinden.
4) Zonierung
Die Einteilung in Wetterzonen und dem folgend in Vegetationszonen hängt hauptsächlich von der Regenmenge ab. Wenn der Passatwind blässt, bilden sich in Höhen zwischen 600 und 1400 m (Sommer) bzw. zwischen 800 und 2000 m (Winter) die Passatwolken und bringen im Norden und Osten Niederschlag, häufig in Form von sogenanntem ‘horizontalem Regen’. Das sind die feinen Wolkentröpfchen, die sich an allen im Weg stehenden Strukturen absetzen, vor allem natürlich an den Blättern in den dichten Lorbeer- oder Kiefernwäldern. Die Menge des durch den horizontalem Regen verursachten Wassereintrages wird immer noch weiter untersucht und soll den normalen Niederschlag um das 2 – 10 -fache übersteigen. Alle anderen Zonen können gleichzeitig vollkommen trocken sein, auch die Küstenregionen des Nordens, in denen vielfach sogar die Sonne scheint.
Über der angegebenen Höhe von 1400 – 2000 m dominiert, überraschenderweise für uns, wieder sonniges Wetter. Der sogenannte Antipassat bringt warme und trockene Luftmassen vom Äquator zu den Wendekreisen. Diese leichtere Warmluft schichtet sich stabil über die kühle und feuchte und damit schwerere Passatluftmasse. Im Bereich der Grenzschicht wird die Luft also mit zunehmender Höhe wieder wärmer. Nähert sich in Tiefdruckgebiet, wird diese sogenannte stabile Schichtung (ähnlich der bei Smogwetterlagen in Ballungsgebieten) durch starke vertikale Lufströmungen aufgelöst.
Man unterscheidet die folgenden Niederschlags- bzw. Vegetationszonen:
(zum Vergleich: die durchschnittlichen Niederschlagsmengen in Deutschland liegen bei 740 mm, in Köln bei 600 mm)
Küstenregionen der Südseiten und der flacheren Inseln 100 – 150 mm
Küstenregionen im vom Seewind mittels Salzeintrag beeinflussten Bereich, Wolfsmilchzone und thermophiler Buschwald (bis 600 im Norden und bis 1300 im Süden) mit etwa 350 mm Niederschlag.
In der Wolkenzone (hauptsächlich Nordseite): Lorbeer- (600 – 1000 m) und Kiefernwälder (1000 – 2000 m) mit 600 bis 1000 mm Niederschlag.
Über der Wolkenzone: Hochgebirgsregion (2000 – 3700 m) mit 350 – 200 mm.
Dabei beziehen sich die Niederschlagswerte auf normalen Regen ohne den horizontalen Niederschlag. Der Kiefernwald löst den Lorbeerwald mit zunehmender Höhe ab, da hier gelegentlich, vor allem nachts, auch Frost herrschen und im Winter Schnee fallen kann. Im Süden fällt allgemein etwa halb soviel Niederschlag und die Verdunstung ist deutlich höher. Die relative Luftfeuchtigkeit liegt oberhalb der Passatwolken oft bei 20 %.