24.03.20 Wald und Wasser auf La Gomera

Im Zusammenhang mit dem Internationalen Tag der Wälder am 21.03. und dem Internationalen Tag des Wassers am 22.03. erschien ein wirklich lesenswerter Artikel von Angel B. Fernandez Lopez, dem Direktor für Konservation im Nationalpark Garajonay (DirectorConservador del Parque Nacional de Garajonay) auf Gomera Verde, den ich in dieser zum Teil etwas freien Übersetzung weitergeben möchte:

Nebel durchfeuchtet und verringert Verdunstung

Man könnte annehmen, dass die kalendarische Nähe Absicht ist, in Anerkennung an die enge Verbindung zwischen Wald und Wasser. Diese Verbindung wird auf La Gomera besonders deutlich, wo der grösste Teil des Süsswassers aus den Wäldern kommt.

Wasser ist fundamental für das Leben, für uns Menschen und für alle Lebewesen, die wir uns den Planeten Erde teilen. Süsswasser ist eine knappe Ressource auf den Kanaren und auch auf La Gomera. Auf unserer Insel stammt der grösste Teil des Wassers, wir betonen es noch einmal, aus den Wäldern, hauptsächlich aus dem Lorbeerwald, von dem sich ein grosser Teil im Nationalpark Garajonay befindet.

Selbst das Mausohr (Aeonium laxum) „sammelt“ Wasser

Diese Realität, die für die Gomeros immer klar war, gehorcht einem Zusammenspiel verschiedener Faktoren, dem Waldklima, den filternden und regulierenden Fähigkeiten des Waldes, der geologischen Konfiguration des zentralen Hochlandes, die die Speicherung des Wassers ermöglicht, und in gewissem Masse dem Relief des Höhenzuges in den bewaldeten Bereichen.

Damit die Wasserversorgung La Gomeras gewährleistet werden kann, verbündet sich die Konservation des Nationalparks mit diesen Faktoren auf sprichwörtliche und faszinierende Weise. Im Folgenden werden wir versuchen zu erklären, wie diese ausserordentliche Allianz funktioniert.

Klima in den bewaldeten Gebieten

Gomera wird von der Passatwolke bedeckt

Als Erstes wäre das feuchte Klima des Waldes zu nennen, welches so sehr mit der Trockenheit der Küstenregionen kontrastiert. Die Lorbeerwälder befinden sich in den Gipfelregionen mit den höchsten Niederschlägen, welche zwischen 500 und 900 Liter pro Quadratmeter und Jahr variieren können, während an der Küste kaum 150 Liter erreicht werden. Diese enorm starken Kontraste erklären auch die Existenz von Nebelwäldern in einer Distanz von nur wenigen Kilometern von wüstenähnlichen Regionen.

Nicht alles lässt sich durch die Niederschlagsmengen erklären. In den Gipfellagen, oberhalb von 800 – 1000 m Höhe, sind die Niederschläge nicht nur grösser, sondern auch besser auf das Jahr verteilt. Auch wenn sich der Grossteil der Niederschläge auf die Zeit zwischen Oktober und April konzentriert, wird die saisonbedingte Verteilung durch sanfte aber häufige Niederschläge ergänzt, die sich aus dem Steigungsregen an den Berghängen bilden, wenn der Passatwind bläst. Auch die blosse Anwesenheit der schützenden Wolken im Gebirge trägt zur Erhaltung der Feuchtigkeit und zur Abschwächung des Wasserverlustes durch Evapotranspiration bei, welche sich sehr stark in den niederen Lagen auswirkt. So wird im Wald das Austrocknen verhindert, wenn der Regen fehlt.

Regulierende Funktion des Waldes

Lorbeerwald: nicht nur märchenhaft, sondern sehr (Wasser-) produktiv

An zweiter Stelle steht die Rolle der Wasseraufnahme, Wasserregulierung und der Schutz durch den Wald selber, der maximal angepasst ist, um aus den bestehenden Umweltbedingungen das Beste zu machen. An den Stellen mit grosser Nebelhäufigkeit fangen die Baumkronen die schwebende Wasserfracht aus den Wolken und machen es so möglich, dass das Wasser am Ende auf den Boden tropft. Diese zusätzlich eingebrachte Niederschlagsmenge, bekannt als horizontaler Regen, wird durch die Präsenz der Bäume erst möglich. Ohne sie würde der Nebel ungehindert vorbeiziehen, ohne seine Wasserladung hierzulassen, die Böden blieben trocken, wie wir an nahen unbewachsenen Bereichen feststellen können.

In den Gipfellagen wächst auf jedem Quadratzentimeter Moos

Auch die wundervollen Moosüberwüchse, die Stämme und Äste mit soviel Magie überziehen, tragen in grossem Masse dazu bei, die Feuchtigkeit aus dem Nebel zu binden. Man weiss, dass sie bis zur 20fachen Menge ihres Trockengewichtes an Wasser aufnehmen können.

Die Menge des von der Wolke eingetragenen Wassers ist sehr variabel, in Abhängigkeit von der Hangneigung, der Orientierung der Hänge und der Höhe. In den Bereichen nahe den Bergrücken ist dieser Eintrag am grössten, die Menge des Wassers, die den Boden erreicht, kann den Jahresniederschlag sogar verdoppeln.

Pilze auf vermoderndem Baumstamm

An den Bergrücken unterhalb von 1100 Metern, die auch im Sommer von den Wolken des Passatwindes gebadet werden, können die Wälder auch in den trockenen Monaten beträchtliche Mengen Wasser erhaschen. Mehr als 60 Liter pro Quadratmeter im Mittel konnten wir an solchen Stellen im August messen, ohne dass auch nur ein einziger Tropfen Regen gefallen wäre.

Zum anderen erleichtern die tiefen Böden dieser Wälder, mulchig und porös, angereichert durch herabfallende und verrottende Pflanzenreste, die Speicherung und ein Weitersickern ins Grundwasser, und nährt so den Wasservorrat der Insel, der an anderer Stelle in der Form von Quellen wieder an die Oberfläche kommt. Der Wald unterstützt auch die unterirdische Speicherung während der Regenzeit und macht es möglich, dass dieses Wasser in den trockenen Monaten nach und nach in tieferen Lagen wieder an die Oberfläche kommt.

Der Untergrund ist ein ein Schwamm, der ganzjährig feucht bleibt.

Der Wald nimmt nicht nur das Wasser auf und speichert es, als ob es sich um einen gigantischen Schwamm handeln würde, ihm kommt auch noch eine dämpfende Funktion bei Stürmen zu, da die Baumkronen Regen abfangen und bremsen und die Mose, Farne, Büsche, Kräuter sowie die Laubschicht, die einen dichten Teppich formen, schützen wirksam vor der Erosion bei Wolkenbrüchen. Auch gefallene, abgestorbene Bäume darf man dabei nicht vergessen, die als Hindernisse das Wasser an steilen Hängen bremsen und zurückhalten und so ebenfalls die Erosion verhindern.

Dazu kommt noch, dass die richtig grossen Baumstämme in fortgeschrittenem Verrottungsstadium authentische Schwämme sind, die sich komplett mit Wasser vollsaugen und so beträchtliche Mengen Wasser binden und damit in trockeneren Phasen helfen, den Wald feucht zu halten. Das in den Stämmen zurückgehaltene Wasser sorgt dafür, dass vor allem im Herbst Legionen von Pilzen auf ihnen spriessen können, die bei genauerem Hinsehen einen der schönsten Eindrücke im Wald gewähren.

Relief der Insel

Wolkenmeer und Zarcita

Der dritte wichtige Faktor ist das Relief. Auf der einen Seite liegt ein Grossteil der Berge von La Gomera hoch genug über dem Meer, um Zugang zu reichlichen Wolken und Niederschlägen zu bekommen, wenn man den Vergleich zu den flacheren Inseln zieht. Auf der anderen Seite befinden sich die Wälder auch nicht da, wo die Hänge am steilsten sind, wie es auf anderen Inseln häufiger zu beobachten ist, sondern im flachen Gipfelbereich. Die geringere Hangneigung reduziert die abfliessende Wassermenge und favorisiert das Einsickern des Wassers, welches so die Wasserspeicher und Quellen anreichern kann.

Geologische Basis

Die Schichten im zentralen Teil der Insel verlaufen waagerecht

An vierter Stelle summiert sich zu den vorher genannten Faktoren die geologische Zusammensetzung der mit Laurisilva bewachsenen Bereiche La Gomeras, die besonders die Ausbildung von unterirdischen Wasserspeichern und deren nachfolgende Auffüllung favorisiert: Die Felsen unter der zentralen Hochebene gehören zu den horizontalen Basalten, gebildet aus beeindruckenden Lagen mit mächtigen Schichten aus Basalt, ohne Hangneigung, was in den teilweise spektakulären Einschnitten durch Schluchten in der Umgebung des zentralen Massivs deutlich wird.

Taparucha – Gesteinsgang im Tuff

Dieser felsige Untergrund birgt aufgrund seines geringen Alters noch viele Spalten und Höhlungen, die sowohl das tiefe Eindringen als auch die langsame Zirkulation des Wassers im Untergrund erleichtern. Die vielfältige Entwicklung von senkrechten Gesteinsgängen, die diese Lavaschichten kreuzen und die für Wasser undurchdringlichen Schichten aus Lockermaterial und feinen Tuffen, verlangsamen und verhindern die tiefere Wasserzirkulation, welches auf diese Weise im Untergrund eingeschlossen wird. So bilden sich grosse Grundwasserreservoirs wie natürliche Stauseen, viel grösser und wichtiger als die von Menschen gebauten Konstruktionen, auch wenn sie nicht sichtbar sind.

Dieser Wasserspeicher wird hängender Speicher beschrieben, bei dem die durchlässigen horizontalen Basalte des zentralen Massivs über Schichten aus undurchlässigen Materialien liegen, die ein Absickern nach unten verhindern. Nur die sternförmig angeordneten Quellen am Rande des zentralen Massivs bilden Ausgänge für das Wasser und ermöglichen so die Nutzung der teilweise permanent fliessenden Bächlein. Die wasserreichsten Quellen speisen sich aus dem zentralen Speicher, z. B. in Guada (im oberen Talbereich von Valle Gran Rey), in Erques oder Guarimiar, um nur einige zu nennen, die erstaunlicherweise in den trockensten Jahren noch ganzjährig Wasser führen, und die noch immer die hauptsächlichen Versorgungsadern der Insel sind.

Bachbett mit Riesenschilf, Zyperngras und Kresse im ganzjährig wasserführenden Barranco de Arure

Das Wasser aus diesen Quellen ist das gleiche Nass, dass von den Wäldern geerntet wird und sich in den Waldboden filtert. Die hydrologische Planung der Insel verbietet gegenwärtig Bohrungen im zentralen Bereich der Insel, um zu verhindern, dass die wasserundurchlässigen Schichten zerstört werden könnten, was auf lange Sicht eine Verschlechterung der Speicherqualität und ein Versiegen der Quellen nach sich ziehen könnte, was auf anderen Inseln auf dramatische Weise demonstriert wurde.

Abschliessende Bemerkung

Den Abschluss bildet die entscheidende Tatsache, dass die Wasserproduktion aus unseren Wäldern vom Zustand ihrer Konservierung abhängt. Genutzte oder frisch aufgeforstete Wälder, von geringer Höhe und undurchdringlich, melken nicht nur kaum Wasser aus den Wolken, sondern sie fangen auch grosse Mengen Regenwasser ab, welches von dort, ohne den Boden zu erreichen, wieder verdunstet.

Waldweg bei Laguna Grande

Wälder mit von Viehherden verdichteten Böden oder ohne Laubschicht, die gerne als Dünger abtransportiert wird, lassen wesentlich weniger gut Wasser einsickern, bremsen weniger die Erosion und regulieren schlechter den Wasserhaushalt. Deshalb ist die Erhaltung unserer Wälder, die Verbesserung ihres Zustandes, sogar die Vergrösserung der Bestände, der Schutz vor Feuer und freilaufenden Tieren die beste Form, die Menge und die Qualität des verfügbaren Wassers zu erhöhen. Die Laurisilva-Wälder sind unsere Wasserfabrik. Deshalb ist ihre Erhaltung vital für unsere Gesellschaft.