25.02.23 Warten auf die Fledermäuse

Im vergangenen Jahr war mir im Laufe des Frühlings so, bei langsam steigenden Temperaturen, als ob weniger Fledermäuse zu sehen seien als in anderen Jahren. Als ich auch noch von mehreren Bekannten darauf angesprochen wurde, wollte ich der Sache auf den Grund gehen.

Untersuchung des Reifezustandes der Alpenfledermaus Hypsugo savii

Schliesslich hatte ich bei verschiedenen Meerestieren schon regelrechte Zusammenbrüche der Bestände beobachtet. Also habe ich bei meinen Kollegen nachgefragt, die vielleicht einschlägige Erfahrungen gemacht hatten. Recht geschlossen haben die mich an einen Spezialisten verwiesen. Frag Domingo, der arbeitet damit. Ich hab mir also seine Telefonnummer besorgt und er hatte zu meiner grossen Freude keine Probleme damit, wenn ich ihn auf irgendwelchen Feldausflügen begleite. Aber es waren noch 2 Monate bis dahin.

Pipistrellus maderensis

Eine wohlmeinende Kundin hatte mich im Februar mit einem Fledermaushorchgerät bedacht, für dass ich ihr ewig dankbar sein werde. Das hab ich also ausgepackt und siehe da, von meiner Dachterrasse und danach überall auf der Insel konnte ich ab Juni während der Dämmerung sogar regelmässig Fledermäuse hören, allerdings beinahe „nur“ die beiden kleinen Arten, die Alpenfledermaus (Hypsugo savii, Murciélago montanero), und die Madeira-Fledermaus (Pipistrellus maderensis, Murciélago de Madeira). Leider scheint das Gerät nicht bei den niedrigen Frequenzen zu funktionieren. Jedenfalls hat es mir nie eine Europäische Bulldogfledermaus (Tadarida teniotis, Murciélago rabudo) aufgespürt. Die seltene und streng geschützte Mopsfledermaus in einer eigenen Unterart (Barbastella barbastellus ssp. guanchae, Murcielago del Bosque) hab ich gar nicht erst erwartet.

Europäische Bulldogfledermaus (Tadarida teniotis)

Dann kam Domingo. Auf meine Frage nach dem Verbleib der Fledermäuse hatte er mich erstmal beruhigt: „Die kommen, wenn es warm wird“. Mit verschiedenen Aufträgen der Kanarischen Regierung, der Inselregierung und des Nationalparkes horcht und vermisst er seit vielen Jahren Fledermäuse auf La Gomera. So richtig wollte er aber auch nicht mit einer Antwort herausrücken. Einfache, klare Antworten gibt es in der Biologie aber eben so gut wie nie.

Langsam kam ich der Sache näher: Von den drei häufigen Fledermäusen auf La Gomera ist nur die Bulldogfledermaus für den Menschen hörbar. Domingo horcht auf Frequenzen von 5 -30 kHz, wenn er diese Art finden will, während die anderen beiden, kleineren Arten eher bei über 35-40 kHz gut hörbar sind. Die Bulldogfledermaus ist mit einer Spannweite von bis zu 41 cm auch deutlich grösser und damit besser sichtbar als die kleineren. Waren mir also die unauffälligeren Kleinen entgangen?

Domingo bei der Vermessung einer Alpenfledermaus mit Freiwilligen der SEO

Wir waren zum Horchen in Imada, unterhalb von Alajeró und in der Nähe von La Dama, Los Acebinos und in Las Rosas, zum Vermessen unter einer Lampe bei Pastrana und La Dama, über einem Wasserspeicher bei Ambrosio, in einer verlassenen Hütte über Hermigua. Beinah überall waren ausser der Mopsfledermaus alle Arten zu hören. Domingo hatte Recht: Wenn es warm war, waren sie auch da.

Am Ende haben seine Untersuchungen insgesamt keine zurückgehenden Bestände aufgezeigt, selbst die Mopsfledermaus konnte an mehreren Stellen nachgewiesen werden. Vielleicht waren die Bulldogfledermäuse eher weiter oben unterwegs, weil ihre geliebten Insekten eben im letzten Jahr einen Höhenflug hatten … Ich werde im kommenden Sommer jedenfalls wieder auf die grossen Bulldogfledermäuse warten, eher noch aufmerksamer. Schliesslich habe ich Vieles gelernt und Ohr und Auge geschärft 😉

Übrigens:

Sonnenuntergang über Playa del Inglés

Wer mal einen Fledermausdetektor in die Hand bekommt, mitbringen. Ein abendlicher Ausflug im Sommer zur Playa del Inglés, Sonnenuntergang, Wellen, Fledermausgezwitscher und zum Abschluss die Rufe von Scharen von Sturmtauchern holen jeden in die Natur zurück …

Domingo Trujillo arbeitet seit mehr als 30 Jahren als Biologe auf den Kanaren, er bezeichnet sich zwar als Ornithologe, also Vogelkundler, aber für mich ist er bei Landwirbeltieren einfach generell ein wandelndes Buch. Wenn er die zerbrechlichen Fledermäuse wiegt, misst oder einfach wie er sie behandelt, ist grosses Kino. Normale Masse wie Gewicht (die kleinen Arten wiegen nur 3,5 Gramm), Ellenlänge, Reifezustand werden genommen, aber die Tiere werden auch auf generellen Zustand und Parasiten untersucht. Aber man muss schon grosse Begeisterung aufbringen, um eine ganze Nacht verschiedene Horchpunkte anzufahren oder stundenlang an über Wasserspeichern aufgespannten Netzen zu warten ….