30.06.20 Fischadler auf Tauchstation

Fischadler (Pandion haliaetus)

Der Fischadler (Pandion haliaetus, Guincho oder Aguila pescadora, 57 cm) gehört zu den am meisten bedrohten Vogelarten auf den Kanaren. Seine Population bestand 2009 aus 16 – 18 auf den verschiedenen Inseln verteilten Paaren, (2018 waren es nur noch 7), die nur in bestimmten Jahren im März 2 – 3 Eier in riesige Horste legen und Nachkommen haben. Gelegentlich sieht man sie, meist in geringer Distanz zur Küste, über dem Meer nach Fischen jagen, sie suchen aber auch Wasserspeicher im Inland auf. Es ist sehr wichtig, sich in der Brutzeit (Februar bis Juli) nicht ihren Nester zu nähern, da sie sehr sensibel auf Belästigungen durch den Menschen reagieren. Seit dem Frühjahr 2019 gilt der Fischadler als ernsthaft vom Aussterben bedroht, seit dem 18.06.20 steht er im Kanarischen Artenschutzkatalog in dieser Kategorie.

Verbreitung Fischadler (aus: Siverio et al.; Censo de la población reproductora de guincho o águila pescadora en Canarias
en 2018.)

In der Konsequenz sollte in den nächsten drei Jahren ein Plan zur Wiederherstellung der Populationen erstellt werden und in Kraft treten. Da in unserer Küstenzone in der Nähe von La Cantera noch vor 2 Jahren zwei Horste belegt waren, sitzen wir sozusagen auf einem der letzten hoffnungsvollen Brutplätze, was in den neuen Massnahmen sicherlich eine Rolle spielen wird.

In den Augen der zuständigen Technikerin des Umweltamtes ist eine weiträumige Sperrung des Brutbereiches von 500 m um den Horst unabdingbar und wahrscheinlich noch nicht einmal ausreichend.

Bevor allerdings die offizielle Version des Planes erschienen ist, müssen viele Faktoren betrachtet werden, die bei der Beurteilung der Situation eine Rolle spielen:

ehemaliger Fischadlerhorst mit Plastikstricken

– Die Vielfalt der Verhaltensweisen oder Sensibilitäten in verschiedenen Kolonien oder sogar bei einzelnen Tieren ist sehr gross, so dass Antworten auf einen Reiz sehr variabel ausfallen. Und das verändert sich noch jeweils in Abhängigkeit von biotischen und abiotischen Faktoren der Lokalität, der konkreten Position des Nestes, Art des Reizes, Häufigkeit und Frequenz, Erfahrungen bei vorherigen Begegnungen, klimatischen Bedingungen, etc.

– Die Vielfalt der verschiedenen zu betrachtenden möglichen Aktivitäten in der jeweiligen Nähe der Brutkolonie, Summierung der Effekte dieser Aktivitäten, Art der Aktivitäten.

– Da es immer unterschiedliche Aktivitäten mit unterschiedlichen Einflüssen auf das Überleben der lokalen Exemplare oder Erfolg bei der Aufzucht gleichzeitig gibt, kann man nicht abschätzen, welche Aktivität welche Bedrohung darstellt.

Entwicklung der Zahl der Brutpaare bei den Kanaren (aus: Siverio et al.; Censo de la población reproductora de guincho o águila pescadora en Canarias en 2018.)

– Die Reaktion der Tiere ist nicht leicht einzuschätzen. Es gibt zwar verschiedene Anzeichen für eine Alarmierung eines Elterntieres, aber manche sind nur schwer zu sehen bzw. zu erkennen oder schwer zu deuten. Zum Beispiel bleiben die Adler, wenn sie brüten, bei einer sich nähernden Bedrohung länger im Nest sitzen, um die Nachkommen zu schützen, was augenscheinlich für eine verminderte Sicherheitsdistanz spricht. Selbst bevor die Adler sichtbare Zeichen einer Alarmierung erkennen lassen, wenden sie ihre Aufmerksamkeit und Wachsamkeit der sich annähernden Bedrohung zu. Wenn im Bereich des Nestes oder den Fischgründen reichlich menschliche Aktivitäten oder das Vorhandensein von Konkurrenten oder Räubern die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, kann die Häufigkeit dieser Spannungszustände zu Stress und zum Beispiel zu Gewichtsverlust führen. Deshalb werden in die Abstandsregeln nicht nur die Distanzen Einzug nehmen, bei denen ein Vogel letztendlich wegfliegt.

Möwenfütterung mag spektakulär sein, Möwen jagen „in ihrer Freizeit“ aber gerne Fischadlern die Beute ab und sind eine Bedrohung für die Nachkommen.

– Geschwindigkeit und Konstanz der Bewegung bei der Annäherung.

– Bewegungsrichtung bei der Annäherung in Bezug auf die Position des Tieres: Direkte Annäherung löst eher Fluchtverhalten aus, als tangentiale.

– Tageszeit: In den frühen Morgenstunden und am Abend suchen die Vögel bevorzugt ihre Nahrung und sind besonders sensibel.

– Konsequenzen der Belästigung: In der Brutphase sind die Konsequenzen besonders hart. Die Nachkommenschaft kann durch die plötzliche Flucht geschädigt oder aus dem Nest geworfen werden, bei Sonneneinstrahlung zu sehr erhitzen, Eierräubern wie Raben oder Möwen zum Opfer fallen. Auch der durch regelmässige Störungen verringerte Jagderfolg kann über Unterernährung der Nachkommen, (selbst wenn sie sich erst in den späteren Phasen des Flüggewerdens oder der Verbreitung fatal auswirkt) zu einem Problem werden.

All dies will erst einmal betrachtet werden. Die Ausarbeitung des „Planes de Conservación“ wird sich voraussichtlich noch über Jahre hinziehen.

Sollten wir uns nicht alle darüber einig sein, in den Brutphasen von Februar bis Juli, die bekannten Nistplätze weiträumig zu umfahren?