04.09.20 „Sauberkeit“ um jeden Preis?

In einem kurzen Artikel, erschienen in „Okeanos“, der Zeitung der Vereinigung der atlantischen Ozeanographen (Sociedad atlántica de Oceanógrafos – SAO) in der aktuellen Ausgabe 11, Juli bis Dezember 2020, wird auf eine für Meereslebewesen möglicherweise relevante Problematik des unbedachten Einsatzes von Desinfektionsmitteln hingewiesen.

Auf den Kanaren wurden neben den Natriumhypochloriten, wie hier im Tal, Bactoril und quarternäre Amoniumverbindungen eingesetzt, um Oberflächen, Gehwege oder Strassenränder zu desinfizieren.

Wir möchten auch auf die anderen sehr interessanten Beiträge dieser Zeitschrift hinweisen. Da sie in spanischer Sprache erscheint, geben wir den Artikel hier in Teilen in Deutsch wieder:

COVID-19-Desinfektionskampagnen gefährden aquatische Systeme

Lejía an den Strand in Zahara de los Atunes. Quelle: El País

In dem Bemühen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen, der ein schweres akutes Atemwegssyndrom verursacht, bekannt als Coronavirus COVID-19 (SARS-CoV-2), hat China Chlor-Desinfektionsmittel in Innenräumen und im Freien eingesetzt. Dies geschieht auch in anderen Ländern (z.B. hat die Stadt Cádiz den Strand von Zahara de los Atunes mit lejía, Natriumhypochlorit, desinfiziert).

China hat allein in der Stadt Wuhan mehr als 5000 Tonnen Desinfektionsmittel verteilt, Chemikalien, die in die Kanalisation gelangen … Sie sind in Seen, Flüssen und im Meer zu finden und gefährden aquatische Ökosysteme.

Nach Ansicht des Teams von Professor Zhang von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften stellen diese Chlor-Desinfektionsmittel in zweierlei Hinsicht eine Bedrohung für Wasserpflanzen und wild lebende Tiere dar: Erstens kann Chlor Organismen direkt schädigen, indem es ihre Zellwände zerstört oder ihre Proteine durch Oxidation schädigt; und zweitens können sich Chemikalien, die als Desinfektionsmittel verwendet werden, mit anderen Materialien verbinden und schädlichere Verbindungen bilden. In Oberflächenwasser ist die gelöste organische Substanz extrem hoch, was die Synthese von Desinfektionsnebenprodukten wie Trihalogenmethanen oder Halogenessigsäuren, die für Wasserorganismen hochgiftig sind, ermöglichen könnte. Darüber hinaus bilden diese Desinfektionsmittel in Verbindung mit Stickstoff Chloramine oder N-Nitrosodimenthylamin, beide mit anerkannter karzinogener Wirkung (Sci., 263(6487):146-147, 2020).

Da sich COVID-19 weltweit verbreitet, könnte der verstärkte Einsatz von Desinfektionsmitteln zu sekundären Katastrophen in aquatischen Ökosystemen rund um den Globus führen. Es ist nötig, dass die Regierungen der betroffenen Länder die Verwendung dieser Desinfektionsmittel einschränken und Bewertungen ihrer Auswirkungen auf aquatische Ökosysteme durchführen. Dies könnte neben der Rettung der biologischen Vielfalt auch den Menschen vor künftigen Gesundheitsgefahren durch verunreinigtes Wasser schützen.