07.12.20 Wasser – Marsch!

Naturkundlicher Spaziergang an der Küste von Valle Gran Rey mit dem „Klassenzimmer unter Segeln“

Küstenspaziergang am Charco del Cieno

In den vergangenen 12 Tagen hatten wir vier mal die Gelegenheit, bei einem sehr schönen Projekt mitzuwirken: Dem Klassenzimmer unter Segeln.

34 Jugendliche verbringen ein halbes Jahr auf dem Traditionssegler Thor Heyerdahl und erkunden den Atlantik aus dieser ungewöhnlichen Perspektive. Das KUS-Projekt ist ein eigener Forschungsbereich am Institut für Erziehungswissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Eberle untersucht ein Team von Wissenschaftlern grundlegende Bereiche der Pädagogik und Psychologie.

interessierte Schüler bei der Mikroplastikprobe

Entweder funktioniert die Erlebnispädagogik an Bord sehr gut, oder es melden sich nur besondere Menschen dafür an. Die Jugendlichen, mit denen ich bisher in kleinen Gruppen von 8 – 9 Teilnehmern unterwegs war, zeigten sich beinahe durchweg sehr interessiert an allen Themen, waren kommunikativ, fröhlich und aktiv. Und das trotz der hohen Informationsdichte.

 

an der Küste gesammelter Müll: erfreulich wenig…

Dazu muss man sagen, dass es eine enorm grosse Zahl an Themen gibt, die man an unserem Küstenabschnitt bildlich sehr gut darstellen kann. Es ist bei weitem nicht möglich, sie alle einzubeziehen oder gar ausführlich zu behandeln. Je nach speziellen Interessen bieten wir bei diesen Küstenspaziergängen ein dichtes Programm mit ozeanografischen, meeresbiologischen, botanischen, umwelttechnischen, geologischen, historischen und auch politischen Themen.

Playa del Inglés 29.10.20
An 2 Tagen gab es grosse Wellen an der Playa del Inglés

Playa del Inglés: Der erste Abschnitt, den wir gemeinsam besuchen, ist die Playa del Inglés. Von einem etwas erhöhten Aussichtspunkt kann man sehr gut überblicken, wie die Wellen sich der Küste nähern. Der strategisch einmalige Ort öffnet sich gegen Nordwesten und verschafft mit grosser Regelmässigkeit einen Blick auf die enorme Dünung aus dem Nordatlantik, die aus nördlicher oder nordwestlicher Richtung auf uns zurollt.

Hier schauen wir uns anhand der vergangenen und aktuellen Wetterdaten an, wie Wellen entstehen und sich ausbreiten, wie man Wellen abschätzt, einstuft. Auch die gerade an diesem Strand zu bemerkenden Risiken werden genau erläutert.

Mikroplastik 2019. Bei den jetzigen Proben gab es kaum was zu sehen

Im nächsten Abschnitt, direkt unten am Strand, geht es um das Mikroplastik, welches an unsere Küsten angespült wird. Hier können die Schüler im Rahmen einer kurzen Demonstration lernen einzustufen, welche Mengen bei uns eintreffen und welche Aspekte diese Mengen bestimmen: Windrichtung und Strömungen.

Ausserdem wird die im Rahmen des europäischen Projektes „Implamac“ angewendete Methodik erläutert und auf die vielfältige Problematik des Plastiks hingewiesen.

Mikroplastikprobe Detail

Da die Schüler zum einen aber schon sehr gut vorbereitet sind (sie kennen das Phänomen des Plastikmagens bei Eissturmvögeln bzw. Sturmtauchern!) und zum anderen an einem späteren Punkt der Reise noch mehr dazu hören werden, gehen wir schnell zum praktischen Teil über und sammeln an der Küste des Naturschutzgebietes „Charco del Cieno“ auf einem holprigen Küstenpfad den dort herumliegenden Müll. Es ist beeindruckend, mit welcher Leichtigkeit sich die jungen Leute hier über die Küste bewegen. Lernt man das auf einem Segelschiff? Viel Müll haben wir nicht gefunden, das kann auch ganz anders aussehen.

 

 

 

Überblick Charco del Cieno (Küstenspaziergang)

An der kleinen, brackigen Küstenlagune stellen wir kurz den besonderen Wert dieses Schutzgebietes wissenschaftlichen Interesses heraus, beobachten die recht geringe Zahl von Watvögeln, die sich hier normalerweise aufhalten und nehmen zum ersten Mal Bezug auf die Produktionsleistung unserer Küstengewässer. Beispielhafte Funktionen übernehmen dabei die Häutungshemden der Krebse und die Kreiselschnecken, die hier selbst bei Flut noch als Zeugen eines unsichtbaren Algenwachstums aushelfen.

Der Regenbrachvogel ist einer unserer Wintergäste

Playa Calera: Die Produktion wird gleich wieder Thema, wenn wir nach Playa kommen. An der dortigen Pumpstation für Abwasser und vor dem Hintergrund des alten Abwasserrohres, erörtern wir die Funktionsweise der hiesigen Kläranlagen. Ausserdem stelle ich die enorme Selbstreinigungskraft der grossen und bewegten Wasssermassen um die Kanaren dar. Die enorme Wassertiefe (auch hier konnten die jungen Seefahrer punkten: Sie waren sehr gut über die vergleichsweise geringen Tiefen in der Nordsee informiert) zwischen den Inseln und die starken und wechselhaften Strömungen verteilen sehr schnell grössere Konzentrationen von städtischen Abwässern.

Spärliche Sandreste

Direkt dahinter, am lokalen Badestrand von Playa, werfen wir einen Blick auf die Strömungsdynamik an unseren Küsten, die unsere Sandstrände auf spektakuläre Weise ständig verändert. Gerade in diesen Tagen hatten nach starken Stürmen durchziehende Dünungsfelder immer wieder den Sand abgeräumt und kleinere Wellen für einen neuen Strandaufbau gesorgt.

Auch Badegäste werden von diesen Strömungen immer wieder mal in Verlegenheit gebracht, am Morgen des Donnerstags wurde tatsächlich eine erschöpfte Person von einem recht küstennahen Felsen per Hubschrauber geborgen.

Geschichtlicher Einschub

Nach einer kleinen Pause spazieren wir nun wesentlich gemütlicher an der Strasse entlang. Der mit Hilfe von europäischen Fördergeldern kanalisierte Schluchtgrund zeugt von – wenn auch selten auftretenden – massiven Niederschlägen und dient als Beispiel für die händeringenden Versuche, die Verwendung von Geldern zu rechtfertigen.

In Puntilla steht die Statue von Hautacuperche, die uns einen willkommenen Schwenk in die Zeit der Eroberung und die damit verbundenen vielfältigen Überlieferungen und Berichte ermöglicht. Interessant ist natürlich auch die Darstellungsweise des „Guanchen“, die einiges über das Selbstverständnis der Bevölkerung der Kanaren und ihr Verhältnis zu den Spaniern herausstellen lässt.

Charco del Conde

Um den Charco del Conde herum ist der Tamariskenbusch besonders gut erhalten. Sehr vielfältig sind die Anpassungen der Küstenflora an den enormen Salzgehalt der Umgebung. Die kanarische Tamariske ist mit ihrem relativ hohen Wuchs als Filter der Salzgischt von enormer Bedeutung bis in die heutige Zeit. Trotzdem mussten an vielen anderen Orten die ursprünglich vorhandenen dichten Bestände den touristischen Anlagen weichen.

Steinseeigel (Paracentrotus lividus)

Der Charco de la Condesa bot zumindest der ersten und der letzten Gruppe einen kleinen Einblick in die Meeresfauna. Leider waren uns aber auch dort weder die Wellen noch die Gezeiten besonders wohl gesonnen, um einen Besuch in der weiten Tümpellandschaft komplett durchführen zu können. Die Vielfalt der Lebewesen in dieser Zone ist einzigartig …

Methodik Thunfischfang

In Vueltas haben wir uns im Hafen die an der Mole liegenden kleinen Fischerboote angeschaut. Die hier verwendeten Methoden nähern sich weitgehend einer nachhaltigen Fischerei. Angelruten aus Riesenschilf, Strahler und Tanks für Köderfische weisen bei den meisten der hiesigen Boote auf Aktivitäten im Thunfischfang hin. So sind die drei am häufigsten gefangenen Arten Thunfisch.

In dem Zusammenhang bietet sich ein Ausflug zu anderen, nicht nachhaltigen Fangmethoden an, die vor der enorm produktiven afrikanischen Küste angewendet werden. Auch die europäischen Fischereiverträge mit Marokko und Mauretanien sind in diesem Zusammenhang hochinteressant.

Präsentation Pottwalknochen

Zum Abschluss greifen wir in einem Vortrag diese Produktivität noch einmal auf und ziehen Vergleiche zur Produktion an Land. Der grosse Wert der Ozeane in der Sauerstoffproduktion und als Lagerstätte für Kohlenstoff kann nicht oft genug deutlich gemacht werden.

Die Ausstellung der Wale und Delfine im Ausstellungsraum des M.E.E.R. e.V. war natürlich hervorragend geeignet, um die beiden auf der Seereise bereits gesichteten Arten zu identifizieren und verschiedene lokale Details der Meeressäuger bei den Kanaren hervorzuheben.

Danke für die grosszügige Unterstützung der hiesigen Führungen durch den deutschen Verein M.E.E.R. e.V.

Vielen Dank für die Erlaubnis zur Nutzung der Räumlichkeiten!

Vielen Dank auch an Melanie von Gomera-Guide für die Organisation!

Herzlichen Dank an Veronika Blickle, Jojo, Jo und Andi von der Thor Heyerdahl für die gute Zusammenarbeit!

Grosses Kompliment an die Schülerinnen und Schüler!