Müll

Mittlerweile weiss wahrscheinlich jeder, dass wir zuviel Müll produzieren, von dem ein grosser Teil im Meer landet. Auch bei den Kanaren gibt es einige Anzeichen, die Grund für Veränderungen sein sollten.

Generelles

völlig in Netzen verstrickte Karettschildkröte

Auf dem offenem Meer ist der überall herumtreibende Müll zum Problem geworden, den wir unachtsam wegwerfen, ohne zu bedenken, dass er zur tödlichen Falle für die Meerestiere werden kann. Hauptsächlich Schildkröten, aber auch Delfine und Pottwale betrachten Plastiktüten oder Netzreste oft als etwas Essbares und können an einem vollkommen verstopften Magen zugrunde gehen. Ausserdem können sich die Tiere auch in den Resten von faserigen Plastiksäcken verheddern und verletzen oder qualvoll ersticken.

Basstölpelnester mit Netzen. Foto von Andreas Trepte, CC BY-SA 2.5, wikipedia

Verschiedene Vögel, wie zum Beispiel die Basstölpel auf Helgoland, bauen Netzreste in ihre Nestern ein. Die Jungvögel können ihre Bestandteile fressen und sich darin verheddern.

Als Extrembeispiel bei den Vögeln kann vielleicht der Eissturmvogel (Fulmarus glacialis) des Nordatlantiks gelten, der seine Nahrung, ohne eine genauere Auswahl zu treffen, von der Oberfläche aufpickt. 95 % der Tiere tragen Plastik im Magen (https://www.ftz.uni-kiel.de/de/forschungsabteilungen/ecolab-oekologie-mariner-tiere/laufende-projekte/plastikmuellbelastung). Er wird als Mass für das Müllaufkommen in der Nordsee verwendet. Man will erreichen, dass nur noch 10 % der Population mehr als 0,1 Gramm Plastik im Magen tragen, bisher sind es 60 %.

Selbst in den abgelegenen Regionen Spitzbergens finden nach Aussagen der Beobachter des Sysselmannen 90% dieser dort sehr häufigen Vögel durch Plastikmägen den Tod. In der Nordsee sieht es nicht besser aus.

Sturmtaucher beim Start

Auf den Kanaren lebt ein naher Verwandter, der Sepiasturmtaucher oder Gelbschnabelsturmtaucher (Calonectris diomedea). Bei Untersuchungen an den Gelbschnabelsturmtauchern auf den Balearen wurden in 94 % der Tiere Plastikteile gefunden. Auf den Kanaren fand eine Untersuchung der Nestlinge statt, bei denen immerhin schon 20 % die Marke von 0,1 g Plastik im Magen erreicht hatten.

Beide Vogelarten gehören zur Familie der den Albatrossen nahestehenden „Röhrennasen“, die unverdauliche Nahrung nicht wie andere Vögel wieder herauswürgen können und deshalb besonders anfällig sind. (Plastic debris in Mediterranean seabirds
Marine Pollution Bulletin, Volume 77, Issue 1, Pages 220-226
Marina Codina-García, Teresa Militão, Javier Moreno, Jacob González-Solís)

Mikroplastik

Mikroplastik und Seegras in El Medano, Mai 2018

Gerade auf den Kanaren werden noch immer extrem viele Plastiktüten eingesetzt und die Verpackungen sprechen für sich. Unter der starken Sonneneinstrahlung und dem Einfluss des Salzwassers werden die Plastikbestandteile im Meer schnell in kleinere Bruchstücke zerlegt. So ist uns ein enormer Anteil der Problematik nicht bewusst, weil wir nicht sehen, was passiert. Dazu wird der Grossteil des Mülls von Strömungen weggetragen, auf dem Meeresboden angesammelt und in den grossen Tiefen und der enormen Ausdehnung verteilt, so dass bei den hier vor La Gomera durchgeführten Planktonproben nur selten Mikroplastik zu beobachten ist. An den Stränden wird nur dann deutlich, was da unten im Wasser los ist, wenn der Wind auflandig bläst.

In den Medien wird immer wieder über den grossen Plastikstrudel im Pazifik berichtet. Unter diesem link sind einige interessante Informationen zu finden. Zum Beispiel wird die tatsächlich vorhandene Menge Plastik in diesem Strudel angegeben.

Konzentration Müll im garbage patch (Scientific Reports, volume 8, Article number: 4666 (2018) doi:10.1038/s41598-018-22939-w)

Ich will unter keinen Umständen dazu beitragen, die schwerwiegenden Folgen der Plastikmengen im Meer kleinreden zu wollen. Allerdings gilt das Gleiche wie für die Küsten La Gomeras: Man sieht die negativen Auswirkungen nicht mit blossem Auge, wenn man dort ist. Es gibt Tage, an denen man auf einer Bootsfahrt mehreren Müllteilen begegnet, aber auf die Fläche gerechnet, oder bei einem generellen Blick über das Meer, wirkt es nicht bedrohlich.

Die in den Medien dargestellten Bilder täuschen. Der grösste Teil der Plastikstückchen ist kleiner als 0,5 cm. So fällt es leicht, warnende Stimmen in Misskredit zu bringen. Menschen, die vor Ort waren, sprechen von Verschwörungstheorie. Dazu kommt, dass die Müllmengen sich in grossen Flächen verteilen. Selbst in den dichtesten Proben sind in diesem Müllfleck nur 0,1 Gramm Plastik pro Quadratmeter gefunden worden!

Tabelle Plastik pro Fläche im grossen pazifischen Müllfleck. (Scientific Reports, volume 8, Article number: 4666 (2018) doi:10.1038/s41598-018-22939-w)(Scientific Reports, volume 8, Article number: 4666 (2018) doi:10.1038/s41598-018-22939-w)

(Der durchschnittliche Wert im Müllfleck liegt bei 0,07 Gramm pro Quadratmeter. Dieser Wert bringt natürlich nicht zum Ausdruck, wieviel sich auf dem Boden abgelagert hat.) Wenn wir diese Menge mit der Menge der Fische vergleichen, die in unseren Ozeanen schwimmen, sieht die Sache anders aus. Gehen wir davon aus, dass die Gesamtausdehnung der Ozeane etwa 320 Millionen Quadratkilometer gross ist (Quelle), und die Menge aller Fische im Wasser 800 Millionen Tonnen wiegt (Quelle), finden wir pro Quadratmeter etwa 2,5 Gramm Fisch. Also kommt auf 25 Gramm Fisch im Meer ein Gramm Plastik! Und die 25 Gramm Fisch picken aus dem Wasser heraus, was da treibt.

Müllsammlung Playa del Inglés von Anfang November 2018

Das Problem liegt dabei nicht darin, dass Meeresorganismen in einem Müllbad schwimmen, sondern dass sich das Plastik in bestimmten Organismen konzentriert, wie die anderen Umweltgifte auch. In einer Studie enthielten 78 % der Kanarischen Makrelen Plastikteile, mit 74 % die meisten davon Mikrofasern, 17,5 % Fragmente und 16,7 % Farbteile und 3,3 % Angelleinenbruchstücke (Microplastic ingestion by Atlantic chub mackerel (Scomber colias) in the Canary Islands coast A. Herrera et al.).

Spülsaum Playa del Inglés

Für die Einwohner wird der Plastiknachschub bei besonderen Gelegenheiten deutlich, wenn nämlich der Wind und die Strömungen „ungünstig“ stehen und oberflächennah treibendes Plastik an die Strände spülen. Das geschieht hier in Valle Gran Rey eher sporadisch, wie Anfang November 2018 an der Playa del Inglés (im Bild die Sammlung von Silke).

Müll an der Punta de Sao Lorenzo, Madeira

In besonders exponierten Lagen kann der Eintrag an Plastik aber auch kontinuierlich und extrem sein. In einer Studie über den mit jeder auflaufenden Flut eingespülten Menge Plastiks an verschiedenen Stränden der Kanaren fanden Wissenschaftler 120 gr Plastik pro Meter Strandlinie pro Flut! Das war am nördlichsten Strand von La Graciosa, der Playa de la Lambra. An der gleichen Stelle fanden sich maximal bis zu 300 Gramm pro Quadratmeter.

Manche Teile treiben so lange, dass sie selber zu einem Biotop werden: Fender mit Entenmuscheln

Eine weiteres sehr auffälliges Resultat war die Menge der Plastikstückchen (mit dem Planktonnetz gefischt) in der Bucht von El Confital: Mit einer Million Stückchen pro Quadratkilometer war die Menge etwa doppelt so gross, wie die des Zooplanktons.

Diese Informationen hab ich aus einem Webinar der Organisation Ben Magec-Ecologistas en Acción aus einem Vortrag von Alicia Herrera (ab Minute 30). Die wichtigsten Daten und Studien sind auf der Webseite von Microtrofic einsehbar. Die neueste Studie fand Plastik in den Mägen von zwei Dritteln aller Wolfsbarsche, die vor Teneriffa in Zuchtanlagen gross geworden sind.