Gezeitenzone

Hier toben die Wellen, Temperaturunterschiede, Schwankungen beim Salzgehalt, Sonneneinstrahlung und Austrocknung. Der härteste Lebensraum, aber auch Rückzugsgebiet und Kinderstube.

Salzkruste im Tümpel

Wenn sich das Wasser bei nahender Ebbe zurückzieht, scheint die Sonne auf die Felsen oder den Sand, heizt sie auf und lässt das zurückbleibende Wasser verdunsten. Je näher an der Niedrigwasserlinie sich ein Organismus aufhält, desto kürzer scheint für ihn die Sonne und desto geringer ist die Verdunstung und damit die Gefahr auszutrocknen. Ganz oben in der Gezeitenzone herrschen dagegen extreme Bedingungen.

Um Gomera bleiben die Temperaturen im offenen Wasser relativ konstant zwischen 19 (Februar) und 24,5 ºC (September), während sie im Flachwasser bei grösserer Aufheizung durch die Sonne zwischen 18 und 28 ºC schwanken. In den am höchsten gelegenen Tümpeln können schon Temperaturen bis über 35º C erreicht werden (auf Felsen und im Sand bis 45º und mehr). Andererseits kann in kalten Nächten die Temperatur hier auch deutlich unter die des Flachwassers, bis auf etwa 15 ºC absinken. Die schwerwiegendsten Auswirkungen hat aber nicht die Temperatursteigerung selbst, sondern die bei zunehmender T sinkende Fähigkeit des Wassers, Sauerstoff aufzunehmen. Nur wenige Organismen können hier leben.

Gezeitentümpel in Valle Gran Rey

Im Meerwasser findet man etwa 36,5 Gramm Salz pro Liter, was einer Konzentration von 36,5 Promille entspricht.
Während der Ebbe kann sich diese Konzentration in den Gezeitentümpeln steigern bis das Salz auskristallisiert, und
wenn es regnet, kann sie auf 0 Promille abfallen. Diese Wechsel bringen grosse Stoffwechselschwierigkeiten für die Tiere und Pflanzen mit sich. Das Salz ist auch der Grund, weshalb wir keine oder kaum Landpflanzen und -tiere in der Gezeitenzone finden, da es selbst im normalen Meerwasser noch ausreichend konzentriert ist, um den Landorganismen das Wasser zu entziehen und das Wachstum zu erschweren. So wird die Gezeitenzone also fast ausschliesslich von marinen Organismen bewohnt, die sich ursprünglich im offenen Meer entwickelt haben, also bei
relativ konstanter Temperatur, gleichbleibendem Salzgehalt und vor allem in ständiger wässriger Umgebung. Zwischen Ebbe und Flut finden sich aber sehr stark schwankende Bedingungen, die ihren Bewohnern hart zusetzen.
Dabei gibts die stärksten Veränderungen nicht beim langsamen Zurückweichen des Wassers, sondern wenn bei steigender Flut die erste Welle an die Küste schwappt. Dann steigt innerhalb kürzester Zeit die Temperatur
wieder auf etwa 20º C und der Salzgehalt sinkt oder steigt auf die ursprünglichen 36,5 Promille. So mussten die Meerestiere sich anpassen und haben dabei eine grosse Zahl von verschiedenartigen Organismen entwickelt.
Der grösste (durch die vorhergehenden Faktoren beeinflusste) Feind der Meeresbewohner ist die Trockenheit. Bei jeder durschnittlichen Ebbe trocknet die Gezeitenzone für einige Stunden aus. Die Tiere versuchen, das Austrocknen zu verhindern, indem sie einen Schleim absondern, der gleichzeitig die Sonneneinstrahlung reflektiert und die Verdunstung herabsetzt, oder indem sie einen Panzer bzw. ein Gehäuse ausbilden, die sie nach aussen verschliessen können.